Selbstverpflichtung zum fairen Wahlkampf

CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ Die Grünen, Die Linke und Volt unterzeichnen Fairness-Abkommen zur Europawahl 2024

Die demokratischen Parteien in Köln haben sich gegenüber dem Kölner Runden Tisch für Integration verpflichtet, die Vielfalt in unserer Gesellschaft zu achten und sich für gute Lebensbedingungen, Toleranz und ein friedliches Miteinander der Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kulturen und Religionen einzusetzen.

In der Vereinbarung haben sie sich verpflichtet

  • nicht auf Kosten von unter uns lebenden Menschen mit Migrationshintergrund Wahlkampf zu betreiben und inhaltlich fair zu bleiben;
  • keine Vorurteile gegen die hier lebenden Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge zu schüren oder in den eigenen Reihen zu dulden;
  • sich aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus zu engagieren;
  • Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge nicht für negative gesellschaftliche Entwicklungen wie die Arbeitslosigkeit oder die Gefährdung der Inneren Sicherheit verantwortlich zu machen.

Überwacht wird die Einhaltung des Abkommens von den Schiedsleuten Dr. Bernhard Seiger, Stadtsuperintendent der evangelischen Kirche Köln und Umgebung und Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses Köln.

Wem im öffentlichen Raum in Reden, Plakaten, Posts usw Aussagen auffallen, die diesen Grundsätzen widersprechen, bitten wir Sie, dieses dem Kölner Runden Tisch zu melden. Bitte mit Angaben von Ort und Zeit und einer Beschreibung des Vorfalls.

info@rundertischkoeln.de

Gemeinsam sind wir Köln – 25 Jahre Kölner Runder Tisch für Integration

Anlass der Gründung des Runden Tisches

In unserer Einladung schreiben wir, dass sich vor 25 Jahren im Jahre eins nach der Wiedervereinigung ausländerfeindliche Aktionen dramatisch häuften, Menschen beleidigt, angegriffen und ermordet wurden, und sich in vielen Städten und so auch in Köln Bürgerinnen und Bürger zusammen- geschlossen haben, um dem Hass und der Gewalt der Rassisten entgegenzutreten.

Die damalige Lage unterscheidet sich in manchem von heute. So scheint mir die Anerkennung der Tatsache der Einwanderung und die Einsicht in die Notwendigkeit von Integrationshilfen in Politik und Verwaltung, bei den Medien und in der Bevölkerung deutlich gewachsen zu sein. Neben der größeren Offenheit für Geflüchtete und viel ehrenamtlicher Hilfe gibt es aber auch sehr verstärkt wieder Hass und Gewalt. Insoweit sehen wir vom Runden Tisch unsere Arbeit als nicht beendet an. Vielleicht ist sie heute sogar wichtiger denn je.Die Herausforderungen sind gewachsen und teilweise anderer Art als früher.

Wir sehen uns konfrontiert mit rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen, die Rassismus, Islamophobie und Antisemitismus auf ihre Fahnen geschrieben haben. Sie leugnen Fakten, setzen ausschließlich auf dumpfe Gefühle, heizen Politikverdrossenheit an und bezeichnen die Medien unisono als Lügenpresse.

Ich möchte aber auf die Gründung des Runden Tisches zurückkommen.

Die konstituierende Sitzung des „Kölner Runden Tisches für Ausländerfreundlichkeit“, so hieß der Runde Tisch damals, fand am 12. Dezember 1991 statt.

Initiiert wurde die Gründung von Hilmar Ankerstein, dem damaligen Vorsitzenden der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Herrn Ankerstein. Er war auch der erste langjährige Sprecher des Runden Tisches. Herr Gilges, der damalige Kölner DGB – Vorsitzende, war sein Nachfolger in dieser Funktion bis vor zwei Jahren.. Seitdem ist Wolfgang Uellenberg – van Dawen Sprecher des Runden Tisches.

Gründungsmitglieder des Runden Tisches waren neben anderen Gerhart Baum, Norbert Burger, Katharina Focke, Betram von Hobe (damals Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers), Tayfun Keltek (heute der Vorsitzende des Kölner Integrationsrates) Manfred Kock, Ernst Simons, Kurt Uhlenbruch, Jürgen Wilhelm, Beate Winkler (Mitarbeiterin der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung) und Gualtiero Zambonini (WDR).

Die Gründung des Runden Tisches war – wie schon gesagt – eine Reaktion auf die Lage Anfang der 90er Jahre, die durch große Feindlichkeit und Gewalt gegenüber Ausländern bei gleichzeitiger staatlicher Passivität in der Integrationspolitik gekennzeichnet war. Ich habe damals für die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Liselotte Funcke, gearbeitet, die wegen der mangelnden Unterstützung ihrer Arbeit und Abweisung ihrer Vorschläge durch die Bundesregierung im Juni 1991 zurückgetreten ist. In ihrem Rücktrittsschreiben an Bundeskanzler Helmut Kohl warnte sie vor Entwicklungen, die immer schwerer beherrschbar würden. Die wachsende Fremdenfeindlichkeit in den fünf neuen Bundesländern seien ein Alarmsignal. Sie sprach in ihrem Brief auch von der Gefahr einer Eskalation. Diese ist dann leider mit dem mehrtägigen Pogrom gegen ein Vertragsarbeitnehmerheim in Hoyerswerda im September 1991 eingetreten. Im Dezember desselben Jahres wurde der Kölner Runde Tisch gegründet.

Etwa drei Jahre dauerte diese bisher gewalttätigste Phase in der deutschen Einwanderungsgeschichte an. Ich erinnere nur an

den Pogrom in Rostock – Lichtenhagen (August 1992),

die Morde in Mölln (November 1992) und

die Morde in Solingen (Mai 1993).

Während der ganzen Zeit tobte eine von einigen Politikern und Medien angeheizte Asyldebatte, die schließlich zu einer Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl in Deutschland führte.

Beim Kölner Runden Tisch haben sich unmittelbar nach dessen Gründung zahlreiche namhafte Kölner Persönlichkeiten und Institutionen zusammengetan, um etwas gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt und etwas für ein friedliches, sozial gerechtes und menschenwürdiges Zusammenleben zu unternehmen.

Dabei waren und sind neben den schon genannten Gründungsmitgliedern Anke Brunn, Peter Canisius, Jutta Graf (vom Kölner Flüchtlingsrat) und Ali Gün. Peter Canisius hat in vielen Funktionen erfolgreich für den Runden Tisch gewirkt. Vertreten waren immer an vorderster Stelle der Kölner Katholikenausschuss (mit Hannelore Bartscherer), der Evangelische Stadtkirchenverband (mit Eckart Schubert) und der DGB. Wir sind traurig, einige der aktivsten Mitglieder durch Tod verloren zu haben: Reinhard Hocker, Kurt Uhlenbruch, Karl-Heinz Pütz und Katharina Focke.

Reinhard Hocker hat unermüdlich gegen die Ausweisungen von ausländischen Kindern und Jugendlichen gekämpft; Kurt Uhlenbruch engagierte sich für die Anerkennung der Tatsache, dass Köln eine Einwanderungsstadt geworden und eine entsprechende Umgestaltung der Stadtverwaltung nötig ist; Karl-Heinz Pütz hat das legendäre Arsch huh – Konzert auf dem Clodwigplatz und vieles andere mitgestaltet und mitverantwortet. Katharina Focke ist im Juli verstorben. Sie hat sich bis ins hohe Alter für eine weltoffene und sozial gerechte Einwanderungsstadt Köln eingesetzt. Sie kämpfte gegen Diskriminierung von Geflüchteten und Migrantinnen und Migranten und setzte sich für deren Anerkennung und Rechtsgleichheit ein. Sie hat die Arbeit des Runden Tischesgeprägt.

Ich bitte um Nachsicht, dass ich nicht alle Personen nennen kann, die sich in all den Jahren für die Arbeit des Runden Tisches eingesetzt haben. Dies gilt auch für die Vereine und Verbände, die beim Runden Tisch mitgearbeitet und dessen Tätigkeit wesentlich unterstützt haben.  Ich möchte nur nennen:

  • den Kölner Flüchtlingsrat (mit Claus-Ulrich Prölß)
  • den Verein Öffentlichkeit gegen Gewalt sowie
  • den Kölner Appell gegen Rassismus (mit Klaus Jünschke, der sich immer
  • besonders für einen humanitären Strafvollzug bei migrantischen Jugendlichen eingesetzt hat).
  • Hervorzuheben sind die Wohlfahrtsorganisationen, insbesondere der
  • Kölner Caritasverband (mit Frau Monika Kuntze und Frau Susanne Rabe-Rahman).
  • Unterstützung in seiner Öffentlichkeitsarbeit erhielt der Runde Tisch vor allem
  • in der schwierigen Anfangszeit durch die Mediengruppe Du Mont.
  • Politische Parteien sind ebenfalls wichtige Mitglieder beim Runden Tisch.
Aktivitäten

Ich möchte jetzt nicht mit allgemeinen Worten die Ziele und Grundsätze des Runden Tisches beschreiben, sondern einfach an einige Aktivitäten in den letzten 25 Jahren erinnern.

Die erste große öffentliche Aktion des Runden Tisches war eine Plakat- und Flugblattaktion 1992 unter dem Motto „Gemeinsam sind wir Köln“ (zusammen mit der KVB und der Mediengruppe Du Mont). Ich erinnere an das legendäre Arsch huh – Konzert am 9. November 1992 auf dem Clodwigplatz (100.000 Teilnehmer), welches eine Veranstaltung Kölner Musiker gegen Rassismus und Neonazis war. Karl-Heinz Pütz war – wie ich schon erwähnt habe – ein maßgeblicher Initiator dieser Veranstaltung.

Aus Anlass des 60. Jahrestages der nationalsozialistischen Machtergreifung initiierte der Runde Tisch mit der AG Arsch huh 1993 eine Aktionswoche gegen Rassismus und Neonazis (unter der Schirmherrschaft von Oberbürger- meister Norbert Burger und unterstützt durch die Mediengruppe DuMont mit einer Sonderbeilage im Kölner Stadt-Anzeiger und im Kölner Express).

Mehrfach hat der Runde Tisch ein Amt für Multikulturelle Angelegenheiten nach dem Vorbild der Stadt Frankfurt am Main gefordert. Die Forderung nach einem Amt wurde bis heute nicht erfüllt. Immerhin wurde später wenigstens ein „Interkulturelles Referat“ und danach die „Punktdienststelle Diversity“ mit dem „Kommunalen Integrationszentrum“ eingerichtet.

Seit 1998 hat der Runde Tisch regelmäßig Fairness–Abkommen für politische Wahlen mit den demokratischen Parteien abgeschlossen und deren Einhaltung kontrolliert.

Im Jahr 2002 kritisierte der Runde Tisch den Sensations-Journalismus des Kölner Express über die sog. „Klau-Kids“ (Roma-Kinder).

Ebenfalls immer wieder hat sich der Runde Tisch für Verbesserungen der Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Köln eingesetzt. Es ging beispielsweise um die Unterbringung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehem. Jugoslawien (1995), um den Protest gegen das Containerlager für Flüchtlinge in Köln-Kalk (2001) sowie um das „Flüchtlingsschiff“ im Deutzer Hafen (2003).

Im Jahr 2005 veranstaltete der Runde Tisch zusammen mit agisra eine Matinee im Kölner Schauspielhaus unter dem Motto „Sie sind längst da – und bleiben. Zur Lage der Menschen ohne Aufenthaltsrechte in Köln“.

Der Runde Tisch hat schon vor über zehn Jahren ein umfassendes Integrationskonzept für Köln gefordert und an dessen Erarbeitung mitgewirkt. Er wird die Umsetzung des Konzepts und des Interkulturellen Maßnahmenprogramms weiterhin kritisch – konstruktiv begleiten.

In der Kontroverse um den Bau einer großen Moschee in Köln-Ehrenfeld hat sich der Runde Tisch für den Moscheebau eingesetzt (2007).

Der Runde Tisch hat an der Demonstration „Vereint gegen Sozialabbau“ teilgenommen und dabei aufgezeigt, dass durch Haushaltskürzungen wichtige Integrationsmaßnahmen abgeschwächt oder sogar gänzlich abgeschafft würden (2010). Drohende oder auch vollzogene Haushaltskürzungen sind seitdem ein Dauerthema der Kritik durch den Runden Tisch.

Im Jahr 2011 war die damals neue Beigeordnete Frau Henriette Reker zu Gast beim Runden Tisch. Sie führte damals aus, dass sie Integration als Teil der Zukunftssicherung verstehe und skizzierte die Grundlagen des neuen Integrationskonzepts. Der Erfolg des Konzepts hinge nicht zuletzt von den zur Verfügung gestellten Ressourcen ab. Die Forderung des Runden Tisches, Integration sei so wichtig, dass sie in das unmittelbare Aufgabengebiet des Oberbürgermeisters gehöre, teilte Frau Reker damals nicht. Heute sehen Sie, sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, dies etwas anders. Der Flüchtlingskoordinator Herr Oster arbeitet direkt in Ihrem Verantwortungsbereich und daraus solle ja, so hat es das aktuelle Ratsbündnis vereinbart, in der Perspektive auch die Integration in der Stadt gesteuert werden.

Im März 2012 führte der Runde Tisch eine Veranstaltung mit Frau Staatssekretärin Zülfiye Kaykin aus dem Arbeits- und Integrationsministerium NRW durch, bei der das neue Teilhabe- und Integrationsgesetz des Landes vorgestellt und diskutiert worden ist. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das 20jährige Bestehen des Runden Tisches begangen.

Im selben Jahr erhielt der Runde Tisch im Rahmen eines Festaktes in der Piazzetta des Rathauses eine Auszeichnung für sein Engagement und seine Zivilcourage durch „Das Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“.

Das Jahr 2013 war durch erneut angedrohte und teilweise vollzogene Haushalts- kürzungen im Bereich der Interkulturellen Arbeit sowie der Umgestaltung der bisherigen Verwaltungsstruktur (Interkulturelles Referat) zu einer „Punktdienststelle Diversity“ geprägt. Der Runde Tisch lehnte beides ab. Er forderte ein Amt für Integration, also eine klassische Verwaltungsstelle. Ein Amt jedoch, welches Migration und Integration als Querschnittsaufgabe begreift.

Andere wichtige Fragen im Jahr 2013 waren: Die Arbeits- und Lebensbedingungen sowie der gesundheitliche Zustand und die gesundheitliche Versorgung der EU – Wanderarbeitnehmer aus Südosteuropa.

Im Jahr 2013 wurde immer deutlicher, dass die Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete in Köln bei weitem nicht ausreichen. Es wurde vom Runden Tisch moniert, dass ein Konzept für die Unterbringung in festen Einrichtungen fehle, obwohl sich steigende Zahlen Geflüchteter schon seit längerem abzeichneten. Heute engagieren wir uns dafür, dass Geflüchtete aus den Hallen in Wohnungen kommen. Das fördert das Miteinander und es kostet die Stadt auch weniger Geld. Und wir engagieren uns dafür, dass alle Geflüchteten einen schnellen Zugang zu Bildung und Ausbildung und vor allem Sprach- und Integrationskursen haben.

Im April 2014 hat der Runde Tisch Vertreter der Ratsparteien gebeten, ihre Positionen zur Integrationspolitik anhand von Fragenkomplexen darzustellen. Einladungen dieser Art hat der Runde Tisch auch schon früher ausgesprochen.

Im August 2015 hat der Runde Tisch die Kandidaten für den Posten des Oberbürgermeisters/der Oberbürgermeisterin, Herrn Jochen Ott und Frau Henriette Reker, zu einem Fachgespräch eingeladen. Die Fragen bezogen sich vor allem auf Flüchtlingspolitik, Sprach- und Kulturmittler, Interkulturelle Zentren, Interkulturelle Kompetenzen und interkulturelle Öffnung der Stadt sowie auf auf die Verwaltungsstruktur (Stichwort Integrationsamt).

Zum Jahreswechsel hatte auch der Runde Tisch zur Demonstration gegen den Kölner Ableger der so genannten PEGIDA Bewegung aufgerufen, an der 15.000 Menschen teilnahmen. Das tolerante und respektvolle Miteinander der Religionen auch in ihren kulturellen Ausdrucksformen ist eine wichtige Grundlage des friedlichen Miteinander in dieser Stadt – und dazu gehört auch der Islam.

Wie junge Menschen erfolgreich davon abgehalten werden können, sich dem Terrornetzwerk des IS anzuschließen, hat uns die Initiative „180 Grad Wende“ hier in Köln vorgestellt. Wir hatten dazu vor einem Jahr eingeladen.

Im März führte der Runde Tisch eine Veranstaltung zum Thema „Schlussfolgerungen aus der Gewalt in der Kölner Silvesternacht“ mit Lale Akgün und Franco Clemens durch. Auch fasste der Runde Tisch eine Entschließung zu dem Thema und schickte sie u.a. an die Oberbürgermeisterin und die Fraktionsvorsitzenden der Kölner Ratsfraktionen. Der Rechtsstaat muss die Sicherheit aller im öffentlichen Raum gewährleisten, aber noch wichtiger ist es, durch Prävention und Integration Kriminalität zu verhindern. Hier muss viel mehr getan werden.

Ich habe versucht, in einem Rückblick eine Art Bilanz unserer Arbeit zu ziehen. Ich hoffe, dass dadurch aber auch aktuelle Herausforderungen an uns alle noch deutlicher geworden sind. Die weiteren Beiträge des Abends beziehen sich vor allem auf die Zukunft unserer Einwanderungsstadt Köln.

 

Bernd Geiß, 22.11.2016

Vorsitzender des Fördervereins des Kölner Runden Tisches für Integration