Am 25. August 2025 wurde der Kölner Runden Tisch für Integration mit dem Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland ausgezeichnet. Lesen Sie hier die Laudatio des stellvertretenden Vorsitzenden der Landschaftsversammlung Prof. Dr. Jürgen Wilhelm.
Frau Oberbürgermeisterin, liebe Frau Reker,
Sehr geehrte Frau Reisner MdB,
Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Stadtrat und der Landschaftsversammlung,
Lieber Herr Dr. Uellenberg-van Dawen, lieber Wolfgang,
Mitglieder des Kölner Runden Tisches für Integration, meine Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, im Namen des Landschaftsverbands Rheinland heute den Rheinlandtaler einer bürgerschaftlichen Initiative zu überreichen, deren Wirken für die Stadtgesellschaft Kölns und darüber hinaus für das Rheinland bedeutsam, ja mehr noch, sogar vorbildlich ist:
den Kölner Runden Tisch für Integration, vertreten durch seinen Sprecher, Dr. Wolfgang Uellenberg-van Dawen und die stellvertretenden Vorsitzenden Reinhild Widdig und Gregor Stiels. Herlich willkommen in Deutz, op der Schäl Sick, aber bekanntlich schaut man von der angeblich falschen ja stets auf die richtige Seite.
Ich spreche heute zu Ihnen für den Landschaftsverband Rheinland; zugleich bin ich auch als Vorsitzender unserer Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, einem der Geburtshelfer des Kölner Runden Tisch für Integration, seit vielen Jahren persönlich und institutionell eng verbunden. Der Landschaftsverband Rheinland und unsere Gesellschaft sind zudem Mitglieder ihres Fördervereins.
Diese doppelte Rolle ermöglicht es mir, die Arbeit des Runden Tisches aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu würdigen, was ich nun gerne tun möchte.
Meine Damen und Herren, in unserer heutigen Runde brauche ich es im Grunde nicht zu betonen, aber es muss dennoch gesagt werden:
Wir leben in bewegten, ja unruhigen und herausfordernden Zeiten. Gesellschaftliche Vielfalt ist zwar eine hart errungene und für die meisten Menschen im Rheinland und in Köln auch gelebte Realität – aber sie ist stärker bedroht als wir es lange Zeit für möglich gehalten hatten.
Immer wieder und zunehmend radikaler wird sie in Frage gestellt, von denen, die Ausgrenzung predigen, wo Solidarität und Mitmenschlichkeit, wo Verständnis statt Rücksichtslosigkeit, wo Empathie statt Egoismus gefragt wäre.
Umso mehr braucht es Menschen und Institutionen, die für Demokratie, Teilhabe und Menschenwürde einstehen – Tag für Tag, seit Jahren, oft im Stillen und mit großem persönlichem Einsatz.
Der Kölner Runde Tisch für Integration ist genau ein solcher Ort – eine Plattform des zivilgesellschaftlichen Dialogs, ein Bollwerk gegen Rassismus und Diskriminierung und ein verlässlicher Kompass in Fragen gesellschaftlicher Gerechtigkeit.
Seit seiner Gründung im Jahr 1991 setzt er sich dafür ein, dass Köln eine solidarische, demokratische und sozial gerechte Stadt bleibt – für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder ihres Aufenthaltsstatus.
Was den Runden Tisch auszeichnet, ist die Breite und Tiefe seines Engagements: Vertreter aus Zivilgesellschaft, Religionsgemeinschaften, Politik, Kultur arbeiten hier gemeinsam daran, menschenfeindlichen Entwicklungen entgegenzutreten und aktiv und vernehmbar ein friedliches Miteinander in der Millionenstadt und darüber hinaus zu gestalten.
Unter den Vorsitzenden Hilmar Ankerstein, Peter Canisius und nun seit vielen Jahren von Dr. Wolfgang Uellenberg – van Dawen wurde das Gremium zu einem verlässlichen Partner für die Stadtgesellschaft. Es entstand ein Raum für kontinuierlichen Austausch, für respektvolle Auseinandersetzung – und vor allem: für konkrete Handlungsvorschläge.
Ein herausragendes aktuelles Beispiel ist das „Fairness-Abkommen“ zur Europawahl 2024. Hiermit haben sich die demokratischen Parteien in Köln gegenüber dem Kölner Runden Tisch für Integration verpflichtet, in Wahlkämpfen keine diskriminierenden oder spalterischen Aussagen gegenüber Menschen mit Einwanderungsgeschichte oder Geflüchteten zu verwenden.
In der Vereinbarung haben die sich unterzeichnenden Parteien (CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/ Die Grünen, Die Linke und Volt) zugleich verpflichtet, sich aktiv gegen Antisemitismus und Rassismus zu engagieren. Und dies ist leider heute wichtiger denn je, wie wir wissen.
Auch die regelmäßigen Stellungnahmen, Bildungsreihen und die breite Netzwerkarbeit des Runden Tisches zeigen: Hier wird Demokratie aktiv gelebt. Hier werden Politik und Stadtverwaltung, Behörden, aber auch andere Akteure des öffentlichen Lebens kritisch begleitet. Und der Runde Tisch verschafft sich Gehör und mediale Aufmerksamkeit, wenn er es für notwendig hält.
Der Kölner Runde Tisch für Integration tritt entschieden für das Recht auf Asyl ein, wie es im Grundgesetz und den internationalen Konventionen zum Schutz von Flüchtlingen verankert ist.
In Zeiten, in denen dieses fundamentale Recht immer wieder infrage gestellt wird, setzt der Runde Tisch damit ein klares Zeichen für Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit. Er zeigt Flagge, die bunte natürlich, und stellt sich damit offen und stark gegen diskriminierenden Populismus, ob nun von rechts oder von links.
Von „Runder Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit“ zu „Runder Tisch für Integration“
Die Namensänderung im Jahr 2002 markiert einen bedeutenden programmatischen Wandel. Ursprünglich lag der Fokus auf der Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
Mit der Umbenennung wurde der Schwerpunkt erweitert: Es geht nicht nur darum, gegen etwas zu sein, sondern aktiv für etwas einzutreten – nämlich für die Gestaltung einer inklusiven Gesellschaft, in der alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Aussehen und ihrem Namen gleichberechtigt teilhaben können.
Diese positive Ausrichtung unterstreicht das Bestreben, Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu begreifen und proaktiv zu fördern.
Auch für den Landschaftsverband Rheinland ist der Schutz der Menschenrechte ein zentrales Anliegen. Wir verstehen uns selbst als treibende Kraft für Vielfalt und Inklusion im Rheinland.
Die Förderung von Vielfalt dieser Vielfalt, der Schutz vor Diskriminierung und der Einsatz für eine inklusive Gesellschaft werden von uns nicht lediglich als gesetzlicher Auftrag verstanden, sondern sind Ausdruck unserer gesellschaftspolitischen Haltung.
Dies umfasst auch die entschlossene Auseinandersetzung mit Rassismus und rassistischer Diskriminierung und selbstverständlich unser kompromissloser Einsatz gegen Antisemitismus. Da wir für zigtausende Menschen mit den verschiedensten Handicaps, aber auch psychisch kranke Menschen Verantwortung tragen, haben wir vor vielen Jahren begonnen, die Geschichte der Verfehlungen, Ausgrenzungen bis hin zu systematischer Ermordung durch die Nazis, ihren willfährigen Ärzten, Pflegern, Verwaltungsleuten aufzuarbeiten. Man kann die wissenschaftlichen Arbeiten mittlerweile alle nachlesen. Es ist jedoch eine Lektüre, die erschauern lässt. Erschauern vor allem, weil man erfährt, dass die Nazizeit auf allen Ebenen aktive Mittäter hatte. Und wenn wir sehen, was zurzeit in den USA stattfindet. Wo ein gefährlicher größenwahnsinniger Autokrat, der demokratische Spielregeln mit den Füßen tritt, und vor dessen persönlichen Rachegelüsten Universitäten, Medienhäuser und viele andere Institutionen kuschen und in die Knie gehen oder gar schleimend sich anbiedern, dann wird mir bewusst, wie wichtig die Arbeit des Runden Tisches ist.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich möchte die Nazizeit nicht direkt mit der aktuellen Regierung der USA vergleichen. Aber die Anzeichen für gefährlich opportunistisches Verhalten einer offenbar immer größer werdenden Menge von wichtigen Akteuren sind durchaus vergleichbar. Und erst recht gilt das für den Umgang mit Geflüchteten, der Diskriminierung von Menschen mit anderer Hautfarbe usw. usw. Alles Themen, denen sich auch der Runde Tisch hier in Köln widmet. Damit es eben nicht so weit kommt, wie in den USA und anderen Staaten.
Wir stehen daher fest an Ihrer Seite, Herr Uellenberg van Dawen!
Denn diese Themen begleiten auch den LVR im Rahmen der Umsetzung eines mehrdimensionalen Diversity-Konzepts ebenso wie in unserer aktiven Rolle als Partner der Landesinitiative „Erfolgsfaktor Interkulturelle Öffnung – NRW stärkt Vielfalt!“, der wir bereits im Jahr 2015 beigetreten sind.
Mit ihrem mehrheitlichen Beitritt zur Trierer Erklärung des Deutschen Städtetages hat die Landschaftsversammlung Rheinland ihre Haltung gegen Rassismus im April 2024 noch einmal deutlich bekräftigt. In der Erklärung heißt es: „Unsere Städte gehören allen Menschen, die hier leben.
Wir akzeptieren nicht, dass Bürgerinnen und Bürger, dass Familien, dass sogar Kinder Angst davor haben müssen, von hier vertrieben zu werden.“
Was den Kölner Runden Tisch für Integration mit dem LVR verbindet, ist somit mehr als ein gemeinsames Thema. Es ist eine gemeinsame politische Haltung. Gott sei Dank spielen bei uns Rechtsradikale und AfD in der praktischen Politik keine Rolle. Ich hoffe sehr, dass dies nach dem 14.9.2025 so bleiben wird.
Es ist deshalb unser gemeinsames Verständnis, dass Vielfalt kein Risiko bedeutet, sondern gesellschaftlicher Reichtum ist.
Dass Demokratie nicht allein in Parlamenten, sondern in Stadtteilen, Klassenzimmern, Kirchengemeinden und Moscheen beginnt.
Und dass gesellschaftlicher Zusammenhalt nicht wächst, wenn man nur zuschaut – sondern wenn man sich aktiv beteiligt.
Die heutige Auszeichnung ist daher auch eine Würdigung für all jene, die sich ehrenamtlich, hauptamtlich oder im Alltag gegen das Vergessen, gegen das Wegsehen und gegen das Schweigen stellen. Menschen wie Sie, Herr Dr. Uellenberg – van Dawen, und Netzwerke wie der Runde Tisch, die deutlich machen:
Demokratie braucht persönliches Engagement. Sie entwickelt sich nicht von alleine immer weiter auf einem menschenfreundlichen Pfad. Wir haben bemerkt, wie schnell sich in den letzten Jahren die Stimmung wandeln konnte. Wer hätte gedacht, dass Rechtsradikale, Holocaust-Leugner, Behinderten-Verächter, Klimaleugner, Reichsbürger usw. mit ihren Vertretern in nahezu allen Parlamenten dieser Republik sitzen. Und weiter schrecklich erfolgreich sind.
Der Runde Tisch für Integration in Köln gibt ein gutes, ein Mut machendes Beispiel, dass unsere Gesellschaft nicht in ein menschenverachtendes autoritäres System abrutscht.
Wir danken Ihnen für Ihre Standhaftigkeit, Ihre Weitsicht, Ihre unermüdliche Arbeit.
Im Namen des Landschaftsverbands Rheinland
verleihen wir Ihnen heute mit hoher Anerkennung den Rheinlandtaler.
Und wir hoffen: Sie machen weiter. Wir brauchen Sie.
Herzlichen Glückwunsch!
Hier die schriftliche Würdigung durch Oberbürgermeisterin Henriette Reker


