Henriette Reker antwortet auf die Fragen der Kölner Willkommensinitiativen

Fragen der Kölner Willkommensinitiativen organisiert im Netzwerk Willkommenskultur (www.wiku-koeln.de) an die Kölner OB-Kandidatin.

1 • Welche Maßnahmen wollen Sie voranbringen, um die vom Stadtrat am 20.7.2004 beschlossenen „Leitlinien für die Unterbringung von Flüchtlingen“ soweit als möglich umzusetzen?

Die hohen Zugangszahlen von Flüchtlingen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im August nach oben korrigiert hat und die seitdem als veränderte Planungsgrundlage dienen, und die seit zwei Monaten besonders dynamische politische Entwicklung auf nationaler und europäischer Ebene haben dazu geführt, dass sich die Verwaltung zwangsläufig von den Leitlinien entfernen musste und verstärkt auf Notunterkünfte ausweichen musste, um ihre gesetzlichen Unterbringungsverpflichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit erfüllen zu können. Ich werde für einen konsequenten Ausbau nachhaltiger Unterbringungskapazitäten sorgen und Flüchtlingsunterbringung zum festen Bestandteil eines modernen Stadtplanungs- und Wohnungsbaukonzepts machen.

Was sollte man Ihrer Meinung nach tun, um die gesonderte Unterbringung für vulnerable Personengruppen, Familien mit Kindern, alleinstehende Frauen, Homosexuelle u.a. zu ermöglichen?

Die gesonderte Unterbringung von alleinstehenden Frauen mit und ohne Kinder ist bereits heute möglich. Die Platzzahlen werden auch hier kontinuierlich erweitert. Die Entwicklung und Erweiterung zielgruppenspezifischer Angebote müssen weiter ausgebaut werden.

2 • Unterstützen Sie die Forderung, zusätzliches Personal für Rechtsberatung (u.a. beim Flüchtlingsrat) in Notunterkünften bereitzustellen?

Natürlich unterstütze ich die Rechtsberatung der Flüchtlinge, die außerhalb der Verwaltung allerdings eine freiwillige Aufgabe ist.

3 • Wie gedenken Sie den Ausbau der Verwaltung bei allen Ämtern die mit Flüchtlingen zu tun haben voranzutreiben (Ausländeramt, Sozialamt, Wohnungsamt Auszugsmanagement und Interkulturellem Dienst).

Die personelle Ausstattung hinkt der Entwicklung der Flüchtlingszahlen hinterher. Hier muss schneller Fachpersonal zu den marktüblichen Konditionen eingestellt werden. Die Koordination wird eine Stabsstelle im Oberbürgermeisterin-Büro leisten.

4 • Wollen Sie einen Flüchtlingsbeauftragen (ähnlich wie in Düsseldorf) als zentrale Anlaufstelle für die Kölner Willkommens-Initiativen schaffen?

Ich werde das Thema „Integration“ zur Chefinsache machen und eine Stabsstelle im Oberbürgermeisterin-Büro einrichten.

5 • Was würden Sie tun, um das Personal zur medizinischen und psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen aufzustocken?

Ich bin froh, dass wir mit der elektronischen Gesundheitskarte den Flüchtlingen die gesundheitliche Betreuung durch niedergelassene Ärzte erleichtern. Die eGK muss nun so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden. Einen Ausbau der psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen halte ich für sehr wichtig. Die Umsetzbarkeit solcher Maßnahmen hängt allerdings wesentlich davon ab, inwieweit sich Bund und Land an den Kosten beteiligen.

6 • Welche Möglichkeiten sehen Sie Kinder und Jugendliche ohne gesicherten Aufenthaltstitel bzw. von unerlaubt Eingereisten besser schulisch zu versorgen?

Alle Kinder brauchen den Zugang zu schulischer Bildung und im Rahmen von Chancengerechtigkeit auch zu speziellen Förderangeboten. Dieser Zugang darf nicht abhängig gemacht werden vom ausländerrechtlichen Status. In schwebenden Verfahren ist unklar, welcher Stadt sie zugewiesen werden, ob zeitnah eine Rückführung ins Heimatland erfolgen muss oder wann über anhängige Gerichtsverfahren entschieden werden kann. Die Kinder sollen trotzdem in die Schule gehen! Spätestens nach drei Monaten muss aus meiner Sicht grundsätzlich jedes Kind einen Schulplatz erhalten.

Das ist eine große Herausforderung für die beteiligten Institutionen und nicht zuletzt für das System Schule, und wir brauchen zusätzliche Ressourcen wie Räume, Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und außerschulische Unterstützungsleistungen.

Köln als größte Stadt Nordrhein Westfalens hat lange und gute Erfahrung in humaner und lebensnaher Ausgestaltung von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen. Die aktuelle Zuwanderung löst einen solchen Prozess aus. Ich werde mich als Oberbürgermeisterin Kölns bei Bezirksregierung und Landesregierung dafür einsetzen, dass auch Kinder ohne Zuweisung nach Köln künftig bedarfsgerecht im Seiteneinstieg beschult werden können. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen wird.

7 • Welchen Einfluss wollen Sie auf die Betreiber von Unterkünften nehmen, um die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen zu verbessern?

Bei den Betreibern der Einrichtungen handelt es sich überwiegend um Trägerorganisationen der sozialen Wohlfahrtsverbände. Die Zusammenarbeit zwischen den Trägern und den Willkommensinitiativen ist gut. Wenn nicht immer alles rund läuft und sich die handelnden Personen nicht verständigen können, muss über das Wohnungsamt interveniert werden. Die Vertreterinnen des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen sind darüber hinaus kompetente Ansprechpartnerinnen und Multiplikatoren.

Inwiefern sich die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung grundsätzlich verbessern lässt, bleibt ein stets aktuelles Thema, dem sich die Stabsstelle im Oberbürgermeister-Büro widmen muss.

Außerdem möchte ich, dass die Sozialarbeiterinnen des Wohnungsamtes, die die vom Land NRW zugewiesenen Flüchtlinge in einem Schlüssel von 1 zu 80 betreuen, von Integrationslotsen unterstützt werden. Diese müssen mit einem ebensolchen Schlüssel zur Verfügung stehen und eine entsprechende Qualifizierung haben. Ein gutes Beispiel dafür sind die Mülheimer Stadtteilmütter und die Mentorinnen des Programms „Mit Migranten für Migranten“. Die Integrationslotsen sollen anhand eines festgelegten Hilfeplans den Flüchtlingen bei allen nötigen Schritten helfen. Wichtig ist dabei auf die spezifischen Bedarfe von besonders schutzbedürftigen Personengruppen wie Kindern, allein reisenden Frauen, Traumatisierten, Kranken, Opfern von Gewalt, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen einzugehen. Diese enge Betreuung soll bis zum Auszug aus der jeweiligen Unterbringungseinrichtung erfolgen.

8 • Sehen Sie eine Möglichkeit der auch finanziellen Unterstützung für Willkommensinitiativen bspw. für Auslagen bei Begleitung, Betreuung etc.?

Wir sollten es schaffen, uns durch Spenden zu finanzieren, auch um unabhängig zu bleiben. Aber z.B. kostenloser VRS bei Begleitungen wäre sinnvoll.

Dem Engagement der ehrenamtlichen Kräfte gilt meine höchste Wertschätzung und Anerkennung. Natürlich darf diese Arbeit nicht zu ihrer finanziellen Belastung führen, sondern wir müssen hier weitere Unterstützungsmöglichkeiten schaffen.

9 • Was halten Sie von der Einrichtung einer Steuerungsgruppe (Vertreter aus den Willkommens-Initiativen), die sich einmal monatlich mit einem zentralen Ansprechpartner der Verwaltung treffen? Das sollte die Flüchtlingsbeauftrage leisten.

Auch das sehe ich als Aufgabe der im Oberbürgermeisterin-Büro angesiedelten Stabsstelle, deren Vertreterin zum Beispiel regelmäßig an den Treffen der Willkommensinitiativen in der Melanchthon-Akademie teilnehmen könnte.

10 • Wie gedenken Sie den Ausbau der Verwaltung und eine deutlich verbesserte Koordination bei allen Ämtern, die mit Flüchtlingen zu tun haben voranzutreiben (Ausländeramt, Sozialamt, Wohnungsamt Auszugsmanagement und Interkulturellem Dienst)?

Neben der Task Force, die sich in erster Linie mit dem drängendsten Thema der Unterbringung befassen muss, halte ich eine weitere Kommission, die sich mit den Themen Betreuung und Integration befasst, für notwendig. Hier soll es um die Gestaltung der Betreuung in den Einrichtungen, die Schulbildung, Kinderbetreuung, aber auch Deutschkurse, Arbeit und Beschäftigung, Ausbildung und Studium und schließlich um das Auszugsmanagement sowie um die psychosoziale Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen gehen. In diesem Gremium unter der Leitung der Stabsstelle werden sich regelmäßig die Mitarbeiterinnen des Sozialamtes, des Wohnungsamtes, des Jugendamtes, des kommunalen Integrationszentrums, des Interkulturellen Dienstes, des Jobcenters sowie der Betreuungsträger zusammenfinden und lösungsorientiert Themen besprechen.

11 • Befürworten Sie die Einrichtung eines Beschwerdemanagements für Geflüchtete? (Ombudsperson)

Zunächst lege ich Wert darauf, dass zwischen den Bewohnern einer Einrichtung und den professionellen und den ehrenamtlichen Kräften ein möglichst enges Vertrauensverhältnis entsteht. Die Stabsstelle wird ein für die Flüchtlinge leicht

zugängliches Beschwerdemanagement entwickeln und dieses dem Runden Tisch für Flüchtlingsfragen sowie dem Integrationsrat vorlegen.

12 • Der Zugang zum Internet ist für Flüchtlinge (meist per Smartphone) die einzige Verbindung mit der Heimat. Für die Teilhabe an unserer Gesellschaft ist das Web insbesondere für Fremdsprachler heutzutage unverzichtbar. Was wollen Sie unternehmen, um WLAN-Zugänge nicht nur in Verkaufszonen sondern auch in Flüchtlingsunterkünften bereitzustellen?

Es gibt bereits eine Arbeitsgruppe innerhalb der Verwaltung, die sich mit den technischen und rechtlichen Fragen einer flächendeckend Bereitstellung von WLAN-Hotspots in den städtischen Flüchtlingsunterkünfte auseinandersetzt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass so schnell wie möglich praktikable Lösungen entwickelt werden.

13 • Sportvereine leisten schon Vorbildliches in der Flüchtlingsarbeit, der DOSB verfügt über KnowHow. Doch es fehlt Geld. Nur 400 Td Euro fließen aus Berlin. Damit werden nur wenige 60 von 90.000 Vereinen unterstützt. Was können Sie für die regionalen Sportvereine tun, die vorbildhaft eine Brücke für Flüchtlinge in die Gesellschaft bieten können?

Sportvereine sind der Schlüssel zur Integration. Was im Sport funktioniert, ist Vorbild für unser gesellschaftspolitisches Handeln und hat direkte Wirkung. Die Sportvereine brauchen eine größere finanzielle Unterstützung. Sie müssen wie die Willkommensinitiativen als wichtige „Player“ anerkannt werden.

14 • Mobilität in der Zeit der Integration ist eine faire Chance für Flüchtlinge. Welche Formen der subventionierten Nutzung des regionalen Verkehrsnetzes könnten Sie sich vorstellen? Reduzierte Karten, begrenzte Freifahrscheine…?

Die Stadt gewährt als freiwillige Leistung für Empfänger von Arbeitslosengeld II, Leistungen nach dem SGB XII sowie nach dem AsylbLG den sogenannten KölnPass. Dieser berechtigt unter anderem zur Nutzung ermäßigter Tarife bei den KVB und gewährt zudem weitere Ermäßigungen in verschiedenen öffentlichen Einrichtungen in Köln.

15 • Frage an die Stadtplanung der Stadt Köln: wie gelingt ein Ausgleich von Interessen der Wohnraumbedürftigen und der Wohnungsnot der neuen Flüchtlinge? Anders gefragt, was wollen Sie tun angesichts der zusätzlichen Folgekosten für Kita-, Schul-, Wohnraum- und Stadtteilentwicklung. Was bedeutet das für den Kommunalhaushalt?

Es darf keine Konkurrenz zwischen den Kölner Wohnungssuchenden und den Flüchtlingen geben! Wir brauchen zur Lösung dieser Probleme dringend mehr Geld von Land und Bund.

16 • Einen WBS können nur Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis von mind. 1 Jahr oder einer Prognose der Ausländerbehörde über einen Aufenthalt von mind. 1 Jahr beantragen. Sehen Sie eine Möglichkeit den Kreis der Berechtigten zu erweitern?

Hier muss der Gesetzgeber tätig werden muss. Ich werde als Oberbürgermeisterin darauf hinwirken.

17 • Können Sie sich vorstellen für Flüchtlinge eine vorausschauende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten? Zum Beispiel mit einer kostenlosen Gesundheitskarte begrenzt für ein Jahr? Oder der Einrichtung von Gesundheitszentren oder Ärzten, die kostenlos behandeln?

Meine Wunschvorstellung ist: Gesundheitsleistungen der GKV auch für Flüchtlinge. Präventive Gesundheitsleistungen sind häufig am Ende auch wirtschaftlicher. In großen Flüchtlingseinrichtungen muss darüber hinaus zumindest temporär eine Krankenstation zur Verfügung stehen.

Henriette Reker