Ein Modell für eine menschengerechte kommunale Integrationspolitik in schwierigen Zeiten
„Wir erleben derzeit eine bis dahin nicht gekannte unsägliche Kampagne von Teilen der Medien und befeuert aus den Reihen politischer Parteien, um den individuellen Rechtsanspruch auf Asyl für politisch Verfolge abzuschaffen. Die Probleme vieler Kommunen mit der Unterbringung und Integration von Geflüchteten werden dazu missbraucht, Stimmung zu machen und Ängste zu schüren. Gerade darum begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Stadt Köln das zwanzigjährige Bestehen des Kölner Runden Tisches für Flüchtlingsfragen zum Anlass nimmt, um mit einem Empfang im Kölner Rathaus den Menschen in Köln und hoffentlich darüber hinaus deutlich zu machen, dass es erfolgreiche Wege gibt, um Geflüchtete menschenwürdig zu betreuen und zu integrieren„, so Peter Krücker, Vorstandssprecher des Caritasverbandes Köln, Claus Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrat e.V. und Wolfgang Uellenberg – van Dawen, Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration in einer gemeinsamen Erklärung.
Der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen wurde aufgrund eines Ratsbeschlusses eingerichtet. Dem Beschluss vorausgegangen waren jahrelange heftige Kontroversen über den Umgang der Stadt Köln mit Geflüchteten vor allem aus den Westbalkan-Ländern. Hatte auch schon die SPD geführte Stadtregierung große Schwierigkeiten gemacht, um Geflüchtete aus dem ehemaligen Jugoslawien menschenwürdig unterzubringen und zu betreuen, so verfolgte die CDU/FDP-Mehrheit seit 1999 einen rigorosen Kurs der Abschreckung. Ohne Rücksicht auf Familien, auf Frauen und Kinder wurden sie auf dem schlammigen Gelände der ehemaligen Chemischen Fabrik Kalk in primitiven Containern untergebracht. Jede Kritik von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Flüchtlingsorganisationen und des Kölner Runden Tisches für Integration wurde rigoros zurückgewiesen. Selbst prominente Befürworter*innen einer einvernehmlichen Lösung wie die damalige Vorsitzende des Katholikenausschusses Hannelore Bartscherer und die ehemalige Bundesministerin Katharina Focke, fanden kein Gehör. Die Stadt „werde auf keinen Fall Wohnungen einrichten für Menschen, die schon seit einiger Zeit eine gültige Ausreiseverpflichtung hätten. Für diesen Personenkreis haben wir Notunterkünfte wie das Containerdorf“ betonte damals die Stadtsprecherin.
Den Höhepunkt erreichte die städtische Abschreckungspolitik im Winter 2002. Im Dezember 2002 brachte die Stadt 191 Flüchtlinge, darunter 88 Kinder, von denen 45 unter fünf Jahren waren, auf einem Schiff im Deutzer Hafen unter. Sie kamen aus dem ehemaligen Jugoslawien, dem Iran, Algerien, Indien und Tunesien. Auf einem eingezäunten Areal und streng bewacht sollten sie darauf warten, in regulären Wohnheimen untergebracht zu werden. Es war eine unhaltbare Situation.
Die Wende in der städtischen Flüchtlingspolitik trat erst nach dem Scheitern der CDU/FDP-Koalition ein. Die neue politische Ratsmehrheit aus CDU und Grünen zeigte sich offen für eine kooperative Lösung. Der Kölner Flüchtlingsrat e.V. forderte die Einrichtung einer „Flüchtlingspolitischen Plattform“, an der alle relevanten Akteur*innen regelmäßig teilnehmen sollten, dies wurde vom Runden Tisch für Integration in einem Schreiben an Oberbürgermeister Fritz Schramma unterstützt. Der damalige Sprecher des Runden Tisches für Integration, Konrad Gilges, schrieb u.a.: „Wir möchten die Bildung einer Struktur anregen, die sich aus Vertreter/Innen der Ratsparteien, der Stadtverwaltung, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, der Polizei, Trägern der Flüchtlingshilfe, Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen zusammensetzt. Ein solches Forum hätte aus Sicht des Runden Tisches für Integration folgende Zielsetzungen: Bestandsaufnahme der Kölner Flüchtlingshilfe, Entwicklung von Kriterien für ein Konzept der Stadt Köln zur Integration und Unterbringung von Flüchtlingen, insbesondere im Hinblick auf eine sozialverträgliche und integrationsfördernde Unterbringung und Betreuung sowie eines an humanitären Standards orientierten Verwaltungshandelns, Abbau von Vorurteilen und konstruktive Bearbeitung von Konflikten.“
Am 17. Juni 2003 beschloss der Rat auf Antrag von CDU und Grünen die Gründung des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen.
Die Sprecher und „Moderatoren“ des Runden Tisches wurden die Vertreter der beiden Kirchen. Peter Krücker als Vertreter des Katholikenausschusses hat bis heute die Sprecherrolle im Wechsel mit evangelischen Vertretenden inne. Der Runde Tisch für Integration begrüßte die Bewegung in der Flüchtlingspolitik und forderte die Ausstattung des neuen Gremiums mit weitreichenden Kompetenzen um „einen hohlen Debattierclub“ zu vermeiden.
Diese Angst war unbegründet: bereits ein Jahr später, im Juli 2004, hatte sich der Runde Tisch für Flüchtlingsfragen auf ein neues Unterbringungskonzept verständigt, das vom Rat am 20. Juli beschlossen wurde. Das Konzept und die danach erarbeiteten „Leitlinien“ für die Unterbringung, Betreuung und Integration von Geflüchteten mussten sich in den folgenden Jahren bewähren. Vor allem in den Jahren 2014 bis 2017, als bis zu 13.300 Geflüchtete nach Köln kamen und die Unterkünfte nur noch in Turnhallen und einem ehemaligen Baumarkt möglich schienen, gerieten die Akteure des Runden Tisches an die Grenzen ihrer Verständigungsmöglichkeiten und auch an die Grenzen des Erträglichen.
Aber besonders in dieser schwierigen Situation hat die enge und vertrauensvolle Kooperation der Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsrat, Runder Tisch für Integration, Kirchen und Willkommensinitiativen, auf gleicher Augenhöhe ihren Wert unter Beweis gestellt. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass in der Politik und in weiten Teilen der Stadtgesellschaft sachbezogen und praxisorientiert um stetige Verbesserungen und Lösungen für eine menschenwürdige Aufnahme und Integration für Geflüchtete gerungen wird. Dies verdient Anerkennung und ist die wirksamste Brandmauer gegen Rassisten und Rechtspopulisten in unserer Stadt. Eine echte Erfolgsgeschichte.