12 000 Menschen zeigen in Köln Haltung

Bei schönstem Spätsommerwetter füllte sich der Roncalli-Platz und als um 14 Uhr die Band „Buntes Herz“ die Kundgebung eröffnete, zeichnete sich ab, dass die Teilnehmer*innenzahl die Erwartungen weit übersteigen würde. Das Motto „Aufnehmen, Hierbleiben, Solidarität“ mobilisierte Tausende Menschen, sich nun – insbesondere nach den Ausschreitungen in Chemnitz – zu versammeln und für die offene Gesellschaft und das Bleiberecht von Geflüchteten einzutreten. Wolfgang Uellenberg-van Dawen forderte mit deutlichen Worten und unter großem Beifall Landesregierung und Bundesregierung zum Handeln auf. Einen Höhepunkt stellte die Rede von Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat dar, der mit seinem kämpferischen Vortrag begeisterte.

Anschließend führte ein Demonstrationszug über den Alter Markt zum Heumarkt, wo der gemeinsame Auftritt von Carolin Kebekus, Max Mutzke, Luke Mockridge und Kasalla das Publikum mitriss. Rap und Poetryslam, Kabarettisten wie Philip Simon und Wilfried Schmickler, dazu Jilet Ayse und 100% Mensch sorgten für ein kurzweiliges Programm, ohne jemals den Bezug zu Toleranz und Asylrecht verlieren. Zahlreiche starke Frauen traten für eine solidarische Gesellschaft auf die Bühne, allen voran Kölns Oberbürgermeisterin Reker. Ciler Firtina führte durch die Fülle der Beiträge, deren Ton zwischen entschieden, wütend, mahnend, streitbar, unterhaltsam, tapfer, informativ und emotional wechselte. Die Mischung stimmte und ließ niemand unberührt.

Im Wortlaut folgt die programmatische Rede von Claus-Ulrich Prölß.

„Liebe Freundinnen und Freunde,
die Mutter aller Probleme sei die Migration – so Horst Seehofer letzte Woche auf einer CSU-Klausurtagung.
Nein, Herr Seehofer. Die Mutter aller Probleme ist die wirtschaftliche, politische und militärische Zerstörung von Lebensgrundlagen, ist Armut und eine zerstörerische Welthandelsordnung, und die Mutter aller Probleme ist  Deutschland und eine Europäische Union, die wichtige Teile dieser ungerechten Ordnung sind und die Fluchtursachen eben überhaupt gar nicht bekämpfen, sondern verfolgungs- und fluchtauslösende Machtverhältnisse zementieren und Europa mit Hilfe der gerade hochgerüsteten Frontex-Grenztruppe zu einer quasi paramilitärischen Festung ausbauen!

Der Vater aller Probleme, Herr Seehofer, sind aber Sie, ein Bundesinnenminister, der Verständnis für den Aufmarsch der Nazis, AfD’ler und Pegida-Anhänger in Chemnitz hat, der den Schutz von Flüchtlingen verweigert und den Rechtsstaat aushebelt, wo er nur kann, der ein Meister der Ausgrenzung ist und der das Land spaltet!
Der Vater aller Probleme ist ein NRW-Innenminister, der ein mutmaßliches „Rechtsempfinden der Bevölkerung“  über das Recht stellt und rechtswidrige Abschiebungen politisch verteidigt.
Der Vater aller Probleme ist ein CSU-Landesgruppenvorsitzender, der von einer „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“ spricht, wenn ehrenamtliche Helfer, Flüchtlingsberater und Anwälte Geflüchtete darin unterstützen, den grundgesetzlich garantierten Rechtsweg zu beschreiten

und der Vater aller Probleme ist ein Verfassungsschutzpräsident, der sich mit AfD-Funktionären zu vertraulichen Gesprächen trifft, der sich zu den Chemnitzer Ereignissen politisch haarsträubend positioniert, ohne gefragt worden zu sein, der die Echtheit eines Videos – und damit die Echtheit des Geschehens – bezweifelt, obwohl an dieser Echtheit kein Zweifel besteht und der schon in seiner Promotionsarbeit 1997 von „sogenanntem AsylTourismus“ sprach und den Abbau völkerrechtlicher Normen, die den Schutz der Flüchtlinge, betreffen, rechtfertigte. Ausgerechnet er soll unsere Verfassung schützen? Was ist das denn? Das Maß ist voll, Herr Maassen!

Nicht nur einzelne Personen, nicht nur Nazis und sog. „besorgte Bürger“, die in Wahrheit nicht besorgt sind, sondern enthemmt, verroht, rassistisch und demokratiefeindlich, nicht nur sie greifen Rechtsstaat und Freiheitsrechte an, der Angriff kommt auch von Innen und er kommt aus einer selbsternannten „Mitte“, die keine „Mitte“ ist, sondern nur so tut!

Während antirepublikanische, faschistoide Regierungen in Europa den „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ – erinnert ihr Euch noch? – verlassen haben und eine menschenverachtende völkerrechtswidrige Flüchtlingspolitik betreiben, ist das Asylrecht auch in Deutschland mittlerweile zu einem winzig kleinen „Asylrechtlein“ demontiert worden.

  • Anstelle von fairen und rechtsstaatlichen Verfahren werden Rechtschutz- und Rechtsweggarantien abgebaut.
  • Anstand die oftmals kranken und traumatisierten Menschen erst mal ankommen zu lassen, werden sie Ruckzuck mit freiwilliger Ausreise oder Abschiebung konfrontiert und in Schnellverfahren und kurze Prozesse gedrängt, in denen Viele dann – zumal ohne Rechtsbeistand – chancenlos sind.
  • Anstelle von schneller Integration werden die Menschen mehrere Monate, ein halbes Jahr und Viele auch noch länger bis zu ihrer Abschiebung in Ankerzentren oder ähnliche Flüchtlingslager der Bundesländer gesteckt und erhalten dort Schul-, Bildungs- und Beschäftigungsverbote. Sie erhalten dort Anti-Integration.
  • Anstelle des grundgesetzlichen besonderen Schutzes von Ehe und Familie wird der Familiennachzug eingeschränkt und der grundgesetzliche Anspruch darauf für Viele zu einem Gnadenrecht. Das verstößt insbesondere auch gegen das Kindeswohl und gegen alles, was mit Humanität zu tun hat.
    Anstelle des Flüchtlingsschutzes werden unter dem Label „Integriertes Rückkehrmanagement“ Abschiebungen in Kriegs-, Krisen- und Armutsländer durchgezogen.

Liebe Freundinnen und Freunde, in Afghanistan gibt es nach Berichten des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen und des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen keine einzige „sichere“ Region, in die man abschieben kann! Menschenrechte sind aber unteilbar!


Dass trotzdem nach Afghanistan abgeschoben wird, z.B. nächsten Dienstag, ist ein unglaublicher Vorgang, weil hier sehenden Auges, wissentlich und bewusst Menschen gefährdet werden, alleine aufgrund einer politischen Entscheidung, alleine weil man das durchziehen will und es durchziehen kann. Amnesty International fordert sofortigen Abschiebungsstopp – und wir auch!

Liebe Freundinnen und Freunde,
wer Rechtsextremismus, Rassismus und Demokratiefeindlichkeit wirklich bekämpfen will, muss Menschen- und Freiheitsrechte ausbauen, muss den Flüchtlingsschutz stärken, und muss die Armut bekämpfen und keine Symbolpolitik, sondern eine Politik der sozialen Gerechtigkeit machen.

Wer aber das Gegenteil betreibt, der verfolgt den Umbau dieser Republik, der verfolgt eine Politik der Rechtlosigkeit, der Irrationalität, des Populismus, der sozialen Ungerechtigkeit und der gesellschaftlichen Spaltung! Dagegen müssen wir ankämpfen und deshalb müssen wir in Köln – müssen wir alle überall – Haltung und Solidarität zeigen!

Haltung zeigen gegen Rechts, gegen Demokratieabbau und gegen die Armut. Solidarität zeigen mit Geflüchteten – aktiv und praxisorientiert -, und Solidarität zeigen mit allen, die sie brauchen.
Vielen Dank!“

Rede von Claus-Ulrich Prölß, gehalten am 16. Sptember auf dem Roncalliplatz in Köln im Rahmen der Kundgebung „Köln zeigt Haltung!“

Deutliche Korrekturen der Sondierungsergebnisse in der Flüchtlings- und Einwanderungspolitik gefordert

Pressemitteilung des Runden Tisches:

Schreiben an die Kölner Bundestagsabgeordneten von CDU und SPD.

Ein schneller und unbürokratischer Familiennachzug für subsidiär Geschützte, frühzeitige Integration in den Kommunen und deutliche Erleichterungen im Bleiberecht für langjährig Geduldete sowie ein großzügiges Einwanderungsgesetz sind die wesentlichen Forderungen des Kölner Runden Tischs für Integration für die Koalitionsverhandlungen und die weiteren Gesetzgebungsverfahren.

In dem von Wolfgang Uellenberg – van Dawen als Sprecher und den stellvertretenden Sprecherinnen Hannelore Bartscherer, der Vorsitzenden des Kölner Katholikenausschusses sowie der Pfarrerin Reinhild Widdig als Vertreterin der evangelischen Kirche unterzeichneten Brief werden die Kölner Bundestagsabgeordneten von SPD und CDU zu deutlichen Korrekturen gegenüber dem, was SPD und Union in der Flüchtlings- und Migrationspolitik ausgehandelt haben, aufgefordert.

In dem Schreiben heißt es:

„Die vorliegenden Sondierungsergebnisse zum Familiennachzug sind weder zielführend noch nachvollziehbar. Dies gilt für die Begrenzung des Nachzugs auf 1000 Menschen im Monat wie für die in einem Vorschaltgesetz festzulegenden Beschränkungen der Nachzugsberechtigung.“

Eine feste Obergrenze zu Lasten der Aufnahme von Geflüchteten, des Familiennachzugs sowie der legalen Einreise im Rahmen der Resettlement Programme der UN führen, lehnt der Kölner Runde Tisch ab.

Hingegen fordert er „die schnelle Zuweisung Geflüchteter an die Kommunen. Monatelange Aufenthalte in Aufnahmelagern stehen dem entgegen.

„Die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer zur Verfahrensbeschleunigung wie es im Sondierungspapier heißt, lehnen wir ebenso ab, denn sie ordnet Menschenrechte den Interessen der Innenbehörden unter.“ Kritisiert Wolfgang Uellenberg van Dawen

Stattdessen fordert der Kölner Runde Tisch für Integration Erleichterungen beim Bleiberecht für langjährig geduldete. „Voraussetzung für die Erlangung des Bleiberechts sind auch Identitätspapiere, die aber gerade von Flüchtlingen, insbesondere Kriegsflüchtlingen, oft nicht vorgelegt werden können. Dies gilt insbesondere für die Kinder von Flüchtlingen, deren Eltern keine Papiere besitzen. Letztere dürfen wegen der Papierlosigkeit ihrer Eltern beim Erwerb des Bleiberechts nicht schlechter gestellt werden als andere Kinder und Jugendliche.“

Für zaghaft und wenig zukunftsorientiert hält der Runde Tisch für Integration die Passage über ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. „Die angestrebte gesetzliche Regelung der Fachkräfteeinwanderung darf sich nicht auf eine kleine Zahl hochqualifizierter Menschen beschränken, sondern muss vielen jungen und motivierten Menschen etwa aus Afrika oder aus Balkanländern den Zugang zu guter Ausbildung und Arbeit eröffnen. Den aufnehmenden Kommunen muss eine ausreichende Unterstützung zugesichert werden.“

Brief an die neuen Bundestagsabgeordneten aus Köln und der Region

Kölner Runder Tisch für Integration fordert eine großzügige Einwanderungsgesetzgebung, legale Einreise, Bleiberecht und Familiennachzug für Geflüchtete und lehnt Flüchtlingslager und eine zahlenmäßige Begrenzung für die Aufnahme Geflüchteter ab.

In einem Brief hat der Kölner Runde Tisch für Integration den neu gewählten Bundestagsabgeordneten aus Köln und der Region „Anforderungen an eine menschenwürdige und integrative Flüchtlings- und Einwanderungspolitik aus kommunaler Sicht“ mit auf den Weg gegeben.

Darin plädiert er für eine Einwanderungsgesetzgebung, die „mehr Menschen das Recht geben (soll) in Deutschland eine Arbeit aufzunehmen und ihren Lebensmittelpunkt zu finden. Dies darf sich nicht nur auf eine kleine Schicht von hochqualifizierten Fachkräften beschränken, sondern muss gerade jungen und motivierten Menschen etwa aus Afrika oder den Balkanstaaten den Zugang zu guter Arbeit, zur Ausbildung und zum Studium mit einer anschließenden Beschäftigung ermöglichen. Eine Einwanderungsgesetzgebung muss jedoch ebenso die Rahmenbedingungen dort mit in den Blick nehmen, wo die Eingewanderten arbeiten und leben, in den Kommunen. Deutschland darf nicht noch einmal den Fehler machen, dass Arbeitskräfte geholt wurden und Menschen gekommen sind, die gute Arbeits- und gute Lebensbedingungen brauchen“.

In der Flüchtlingspolitik muss die Trennung von Flüchtlingen in solche mit und ohne Bleiberechtsperspektive im Zugang zu Arbeit, Bildung und Integrationsangeboten aufgehoben werden. „Langjährig Geduldete benötigen endlich ein Bleiberecht, so wie dies Rat und Verwaltung in Köln mit ihren Möglichkeiten realisieren wollen“.

Notwendig ist die Aufhebung aller Beschränkungen der Familienzusammenführung wie der für subsidiär Geschützte. Solche Beschränkungen behindern Integration und sie widersprechen unserem Grundgesetz.“

Statt Ausdehnung der Liste sicherer Herkunftsländer und weiterer Abkommen der EU mit afrikanischen Staaten oder Libyen zur Abwehr von Geflüchteten fordert der Runde Tisch „legale Einreisemöglichkeiten, die eine Prüfung des Schutzanspruches in Europa gewährleisten.“

Flüchtlingsaufnahme- oder Einreisezentren werden prinzipiell abgelehnt. „Wer Menschen in Lager sperrt, um sie über Monate bürokratischen bzw. gerichtlichen Entscheidungsverfahren zu unterwerfen ohne ausreichenden rechtlichen Beistand, ohne Integrationsangebote, ohne die Zeit für eine ausreichende Gesundheitsversorgung und professionelle Hilfe bei Traumata, ohne Solidarität und Hilfe ihrer Mitmenschen, getrennt noch von anderen Familienangehörigen verstößt gegen den Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes. Er stellt das Interesse des Staates über die Würde und die Rechte schutzsuchender Menschen.“

Der Kölner Runde Tisch lehnt auch die von den Unionsparteien angestrebte Zielgröße zur Aufnahme von 200 000 Geflüchteten jährlich, mit der Möglichkeit der Ausweitung bzw. der Reduzierung festgelegt durch ein vom Bundestag zu verabschiedendes Gesetz, ab. „Die Gewährleistung des Grundrechts auf Asyl und der Genfer Flüchtlingskonvention sind in diesem Modell einer Flüchtlingsbegrenzung nicht gesichert.

In dem vom Sprecher des Kölner Runden Tischs Wolfgang Uellenberg – van Dawen und den stellvertretenden Sprecherinnen Hannelore Bartscherer, Vorsitzender des Katholikenausschusses und Pfarrerin Reinhild Widdig unterschriebenen Brief heißt es abschließend:

In weiten Teilen der Gesellschaft und der demokratischen Parteien besteht Übereinstimmung darüber, auf unser Grundgesetz und die ihm zu Grunde liegenden Werte zu verweisen, wenn wir Orientierungen und Maßstäbe für das Zusammenleben in einer von Vielfalt der Kulturen und Religionen bestimmten Gesellschaft bestimmen. Dies können wir gegenüber denen, die in unser Land gekommen sind und noch kommen werden glaubwürdig aber nur dann tun, wenn wir uns selbst an das Grundgesetz und seine Werte und damit an die von Deutschland eingegangenen völker- und menschenrechtlichen Verpflichtungen halten. Es geht gerade in der Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik nicht nur um die, die zu uns kommen wollen, sondern ebenso um uns selbst.“

Autoren:  Wolfgang Uellenberg – van Dawen und Claus-Ulrich Prölß