Keine Hallenunterbringung für Flüchtlinge

Ein Beitrag zum internationalen Tag der Menschenrechte von Klaus Jünschke

Mit der Hallenunterbringung kehrt die Kölner Stadtverwaltung zur alten Abschreckungspolitik zurück.

Der Kölner Oberstadt-Direktor Rossa erklärte am 9. Juni 1982 in München: „Kommen Sie zu uns (…) und sehen Sie sich auch unsere Gemeinschaftsunterkünfte an. Ich gebe zu (…) wir gehen eben genau diese Gratwanderung, um es nicht zu schön zu machen. Sonst spricht es sich nämlich rum, dass es toll ist, in Köln Asylant zu sein.“ (DST-Beiträge zur Sozialpolitik, Heft 14, Köln 1982)

Mitte der 90er Jahre wurde das Abschreckungskonzept gegenüber Flüchtlingen von der damaligen Sozialdezernentin Frau Dr. Christiansen noch einmal bekräftigt: man sollte es bis auf den Balkan hören. Bewusst wurde ein Provisorium bei der Flüchtlingsunterbringung aufrechterhalten, um zukünftige Flüchtlinge präventiv abzuschrecken. Der entsprechende Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger vom 14.12.1995 war mit „Köln kein idealer Ort mehr. Runder Tisch kritisiert die Stadt und die Flüchtlingspolitik“ überschrieben.

Der Kölner Runde Tisch für Integration hatte im April 2002 Jochen Köhnke, Dezernent für Migration und interkulturelle Angelegenheiten der Stadt Münster, eingeladen. Das Münsteraner Konzept sah die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in kleinen Häusern mit max. 50 Plätzen vor, die über die ganze Stadt verteilt werden sollten. Siehe dazu das Interview von Barbara A. Cepielik mit ihm: http://www.ksta.de/koeln/muenster-betreibt-eine-andere-fluechtlingspolitik-als-koeln,15187530,14442334.html

Im Juli 2004 legte der auf Initiative des Kölner Runden Tisches für Integration eingerichtete Kölner Runde Tisch für Flüchtlingsfragen einen Konzeptentwurf zur Neuausrichtung der Kölner Flüchtlingspolitik vor. Seine Arbeit ist gut dokumentiert.

Ende 2015 ist die Verwaltung der Stadt Köln zur alten Abschreckungspolitik zurückgekehrt: Am Freitag, den 4.12.2015 stand im Kölner Stadt-Anzeiger, dass die ersten fünf Leichtbauhallen zur Flüchtlingsunterbringung in Ostheim aufgebaut werden. In jeder Halle sollen 80 Flüchtlinge untergebracht werden. Bis zu 15 solcher Standorte mit Leichtbauhallen soll es in Köln geben. Siehe Seite 2 des aktuellen Newsletter des Kölner Flüchtlingsrates: http://koelner-fluechtlingsrat.de/neu/userfiles/pdfs/FluePolNa2015-11%20%28Repariert%29.pdf

Für alle, denen es an der nötigen Phantasie fehlt, gibt es Studien, die belegen, dass die Integration der Flüchtlinge durch die Unterbringung in Sammelunterkünften erschwert wird. Alternativen gibt es nicht nur in  Münster…

sondern auch in Starnberg
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/fluechtlingsunterkuenfte-quadratisch-wohnlich-rentabel-1.2761705
oder in Herbolzheim
http://www.badische-zeitung.de/suedwest-1/fluechtlingsunterbringung-so-funktioniert-das-herbolzheimer-modell
und auch von IKEA.
http://www.takepart.com/article/2015/04/10/ikea-refugee-shelters-iraq?cmpid=tp-ptnr-ajplus

 

Henriette Reker antwortet auf die Fragen der Kölner Willkommensinitiativen

Fragen der Kölner Willkommensinitiativen organisiert im Netzwerk Willkommenskultur (www.wiku-koeln.de) an die Kölner OB-Kandidatin.

1 • Welche Maßnahmen wollen Sie voranbringen, um die vom Stadtrat am 20.7.2004 beschlossenen „Leitlinien für die Unterbringung von Flüchtlingen“ soweit als möglich umzusetzen?

Die hohen Zugangszahlen von Flüchtlingen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im August nach oben korrigiert hat und die seitdem als veränderte Planungsgrundlage dienen, und die seit zwei Monaten besonders dynamische politische Entwicklung auf nationaler und europäischer Ebene haben dazu geführt, dass sich die Verwaltung zwangsläufig von den Leitlinien entfernen musste und verstärkt auf Notunterkünfte ausweichen musste, um ihre gesetzlichen Unterbringungsverpflichtung zur Vermeidung von Obdachlosigkeit erfüllen zu können. Ich werde für einen konsequenten Ausbau nachhaltiger Unterbringungskapazitäten sorgen und Flüchtlingsunterbringung zum festen Bestandteil eines modernen Stadtplanungs- und Wohnungsbaukonzepts machen.

Was sollte man Ihrer Meinung nach tun, um die gesonderte Unterbringung für vulnerable Personengruppen, Familien mit Kindern, alleinstehende Frauen, Homosexuelle u.a. zu ermöglichen?

Die gesonderte Unterbringung von alleinstehenden Frauen mit und ohne Kinder ist bereits heute möglich. Die Platzzahlen werden auch hier kontinuierlich erweitert. Die Entwicklung und Erweiterung zielgruppenspezifischer Angebote müssen weiter ausgebaut werden.

2 • Unterstützen Sie die Forderung, zusätzliches Personal für Rechtsberatung (u.a. beim Flüchtlingsrat) in Notunterkünften bereitzustellen?

Natürlich unterstütze ich die Rechtsberatung der Flüchtlinge, die außerhalb der Verwaltung allerdings eine freiwillige Aufgabe ist.

3 • Wie gedenken Sie den Ausbau der Verwaltung bei allen Ämtern die mit Flüchtlingen zu tun haben voranzutreiben (Ausländeramt, Sozialamt, Wohnungsamt Auszugsmanagement und Interkulturellem Dienst).

Die personelle Ausstattung hinkt der Entwicklung der Flüchtlingszahlen hinterher. Hier muss schneller Fachpersonal zu den marktüblichen Konditionen eingestellt werden. Die Koordination wird eine Stabsstelle im Oberbürgermeisterin-Büro leisten.

4 • Wollen Sie einen Flüchtlingsbeauftragen (ähnlich wie in Düsseldorf) als zentrale Anlaufstelle für die Kölner Willkommens-Initiativen schaffen?

Ich werde das Thema „Integration“ zur Chefinsache machen und eine Stabsstelle im Oberbürgermeisterin-Büro einrichten.

5 • Was würden Sie tun, um das Personal zur medizinischen und psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen aufzustocken?

Ich bin froh, dass wir mit der elektronischen Gesundheitskarte den Flüchtlingen die gesundheitliche Betreuung durch niedergelassene Ärzte erleichtern. Die eGK muss nun so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden. Einen Ausbau der psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen halte ich für sehr wichtig. Die Umsetzbarkeit solcher Maßnahmen hängt allerdings wesentlich davon ab, inwieweit sich Bund und Land an den Kosten beteiligen.

6 • Welche Möglichkeiten sehen Sie Kinder und Jugendliche ohne gesicherten Aufenthaltstitel bzw. von unerlaubt Eingereisten besser schulisch zu versorgen?

Alle Kinder brauchen den Zugang zu schulischer Bildung und im Rahmen von Chancengerechtigkeit auch zu speziellen Förderangeboten. Dieser Zugang darf nicht abhängig gemacht werden vom ausländerrechtlichen Status. In schwebenden Verfahren ist unklar, welcher Stadt sie zugewiesen werden, ob zeitnah eine Rückführung ins Heimatland erfolgen muss oder wann über anhängige Gerichtsverfahren entschieden werden kann. Die Kinder sollen trotzdem in die Schule gehen! Spätestens nach drei Monaten muss aus meiner Sicht grundsätzlich jedes Kind einen Schulplatz erhalten.

Das ist eine große Herausforderung für die beteiligten Institutionen und nicht zuletzt für das System Schule, und wir brauchen zusätzliche Ressourcen wie Räume, Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und außerschulische Unterstützungsleistungen.

Köln als größte Stadt Nordrhein Westfalens hat lange und gute Erfahrung in humaner und lebensnaher Ausgestaltung von gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen. Die aktuelle Zuwanderung löst einen solchen Prozess aus. Ich werde mich als Oberbürgermeisterin Kölns bei Bezirksregierung und Landesregierung dafür einsetzen, dass auch Kinder ohne Zuweisung nach Köln künftig bedarfsgerecht im Seiteneinstieg beschult werden können. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingen wird.

7 • Welchen Einfluss wollen Sie auf die Betreiber von Unterkünften nehmen, um die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen zu verbessern?

Bei den Betreibern der Einrichtungen handelt es sich überwiegend um Trägerorganisationen der sozialen Wohlfahrtsverbände. Die Zusammenarbeit zwischen den Trägern und den Willkommensinitiativen ist gut. Wenn nicht immer alles rund läuft und sich die handelnden Personen nicht verständigen können, muss über das Wohnungsamt interveniert werden. Die Vertreterinnen des Runden Tisches für Flüchtlingsfragen sind darüber hinaus kompetente Ansprechpartnerinnen und Multiplikatoren.

Inwiefern sich die Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung grundsätzlich verbessern lässt, bleibt ein stets aktuelles Thema, dem sich die Stabsstelle im Oberbürgermeister-Büro widmen muss.

Außerdem möchte ich, dass die Sozialarbeiterinnen des Wohnungsamtes, die die vom Land NRW zugewiesenen Flüchtlinge in einem Schlüssel von 1 zu 80 betreuen, von Integrationslotsen unterstützt werden. Diese müssen mit einem ebensolchen Schlüssel zur Verfügung stehen und eine entsprechende Qualifizierung haben. Ein gutes Beispiel dafür sind die Mülheimer Stadtteilmütter und die Mentorinnen des Programms „Mit Migranten für Migranten“. Die Integrationslotsen sollen anhand eines festgelegten Hilfeplans den Flüchtlingen bei allen nötigen Schritten helfen. Wichtig ist dabei auf die spezifischen Bedarfe von besonders schutzbedürftigen Personengruppen wie Kindern, allein reisenden Frauen, Traumatisierten, Kranken, Opfern von Gewalt, älteren Menschen oder Menschen mit Behinderungen einzugehen. Diese enge Betreuung soll bis zum Auszug aus der jeweiligen Unterbringungseinrichtung erfolgen.

8 • Sehen Sie eine Möglichkeit der auch finanziellen Unterstützung für Willkommensinitiativen bspw. für Auslagen bei Begleitung, Betreuung etc.?

Wir sollten es schaffen, uns durch Spenden zu finanzieren, auch um unabhängig zu bleiben. Aber z.B. kostenloser VRS bei Begleitungen wäre sinnvoll.

Dem Engagement der ehrenamtlichen Kräfte gilt meine höchste Wertschätzung und Anerkennung. Natürlich darf diese Arbeit nicht zu ihrer finanziellen Belastung führen, sondern wir müssen hier weitere Unterstützungsmöglichkeiten schaffen.

9 • Was halten Sie von der Einrichtung einer Steuerungsgruppe (Vertreter aus den Willkommens-Initiativen), die sich einmal monatlich mit einem zentralen Ansprechpartner der Verwaltung treffen? Das sollte die Flüchtlingsbeauftrage leisten.

Auch das sehe ich als Aufgabe der im Oberbürgermeisterin-Büro angesiedelten Stabsstelle, deren Vertreterin zum Beispiel regelmäßig an den Treffen der Willkommensinitiativen in der Melanchthon-Akademie teilnehmen könnte.

10 • Wie gedenken Sie den Ausbau der Verwaltung und eine deutlich verbesserte Koordination bei allen Ämtern, die mit Flüchtlingen zu tun haben voranzutreiben (Ausländeramt, Sozialamt, Wohnungsamt Auszugsmanagement und Interkulturellem Dienst)?

Neben der Task Force, die sich in erster Linie mit dem drängendsten Thema der Unterbringung befassen muss, halte ich eine weitere Kommission, die sich mit den Themen Betreuung und Integration befasst, für notwendig. Hier soll es um die Gestaltung der Betreuung in den Einrichtungen, die Schulbildung, Kinderbetreuung, aber auch Deutschkurse, Arbeit und Beschäftigung, Ausbildung und Studium und schließlich um das Auszugsmanagement sowie um die psychosoziale Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen gehen. In diesem Gremium unter der Leitung der Stabsstelle werden sich regelmäßig die Mitarbeiterinnen des Sozialamtes, des Wohnungsamtes, des Jugendamtes, des kommunalen Integrationszentrums, des Interkulturellen Dienstes, des Jobcenters sowie der Betreuungsträger zusammenfinden und lösungsorientiert Themen besprechen.

11 • Befürworten Sie die Einrichtung eines Beschwerdemanagements für Geflüchtete? (Ombudsperson)

Zunächst lege ich Wert darauf, dass zwischen den Bewohnern einer Einrichtung und den professionellen und den ehrenamtlichen Kräften ein möglichst enges Vertrauensverhältnis entsteht. Die Stabsstelle wird ein für die Flüchtlinge leicht

zugängliches Beschwerdemanagement entwickeln und dieses dem Runden Tisch für Flüchtlingsfragen sowie dem Integrationsrat vorlegen.

12 • Der Zugang zum Internet ist für Flüchtlinge (meist per Smartphone) die einzige Verbindung mit der Heimat. Für die Teilhabe an unserer Gesellschaft ist das Web insbesondere für Fremdsprachler heutzutage unverzichtbar. Was wollen Sie unternehmen, um WLAN-Zugänge nicht nur in Verkaufszonen sondern auch in Flüchtlingsunterkünften bereitzustellen?

Es gibt bereits eine Arbeitsgruppe innerhalb der Verwaltung, die sich mit den technischen und rechtlichen Fragen einer flächendeckend Bereitstellung von WLAN-Hotspots in den städtischen Flüchtlingsunterkünfte auseinandersetzt. Ich werde mich dafür einsetzen, dass so schnell wie möglich praktikable Lösungen entwickelt werden.

13 • Sportvereine leisten schon Vorbildliches in der Flüchtlingsarbeit, der DOSB verfügt über KnowHow. Doch es fehlt Geld. Nur 400 Td Euro fließen aus Berlin. Damit werden nur wenige 60 von 90.000 Vereinen unterstützt. Was können Sie für die regionalen Sportvereine tun, die vorbildhaft eine Brücke für Flüchtlinge in die Gesellschaft bieten können?

Sportvereine sind der Schlüssel zur Integration. Was im Sport funktioniert, ist Vorbild für unser gesellschaftspolitisches Handeln und hat direkte Wirkung. Die Sportvereine brauchen eine größere finanzielle Unterstützung. Sie müssen wie die Willkommensinitiativen als wichtige „Player“ anerkannt werden.

14 • Mobilität in der Zeit der Integration ist eine faire Chance für Flüchtlinge. Welche Formen der subventionierten Nutzung des regionalen Verkehrsnetzes könnten Sie sich vorstellen? Reduzierte Karten, begrenzte Freifahrscheine…?

Die Stadt gewährt als freiwillige Leistung für Empfänger von Arbeitslosengeld II, Leistungen nach dem SGB XII sowie nach dem AsylbLG den sogenannten KölnPass. Dieser berechtigt unter anderem zur Nutzung ermäßigter Tarife bei den KVB und gewährt zudem weitere Ermäßigungen in verschiedenen öffentlichen Einrichtungen in Köln.

15 • Frage an die Stadtplanung der Stadt Köln: wie gelingt ein Ausgleich von Interessen der Wohnraumbedürftigen und der Wohnungsnot der neuen Flüchtlinge? Anders gefragt, was wollen Sie tun angesichts der zusätzlichen Folgekosten für Kita-, Schul-, Wohnraum- und Stadtteilentwicklung. Was bedeutet das für den Kommunalhaushalt?

Es darf keine Konkurrenz zwischen den Kölner Wohnungssuchenden und den Flüchtlingen geben! Wir brauchen zur Lösung dieser Probleme dringend mehr Geld von Land und Bund.

16 • Einen WBS können nur Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis von mind. 1 Jahr oder einer Prognose der Ausländerbehörde über einen Aufenthalt von mind. 1 Jahr beantragen. Sehen Sie eine Möglichkeit den Kreis der Berechtigten zu erweitern?

Hier muss der Gesetzgeber tätig werden muss. Ich werde als Oberbürgermeisterin darauf hinwirken.

17 • Können Sie sich vorstellen für Flüchtlinge eine vorausschauende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten? Zum Beispiel mit einer kostenlosen Gesundheitskarte begrenzt für ein Jahr? Oder der Einrichtung von Gesundheitszentren oder Ärzten, die kostenlos behandeln?

Meine Wunschvorstellung ist: Gesundheitsleistungen der GKV auch für Flüchtlinge. Präventive Gesundheitsleistungen sind häufig am Ende auch wirtschaftlicher. In großen Flüchtlingseinrichtungen muss darüber hinaus zumindest temporär eine Krankenstation zur Verfügung stehen.

Henriette Reker

 

Jochen Ott antwortet auf die Fragen der Kölner Willkommensinitiativen

Fragen der Kölner Willkommensinitiativen organisiert im Netzwerk Willkommenskultur (www.wiku-koeln.de) an den Kölner OB-Kandidaten.

1 • Welche Maßnahmen wollen Sie voranbringen, um die vom Stadtrat am 20.7.2004 beschlossenen „Leitlinien für die Unterbringung von Flüchtlingen“ soweit als möglich umzusetzen?

Als erstes ist festzustellen, dass wir in Köln kein Beschluss-, sondern ein Umsetzungsproblem haben. Trotz der von Ihnen genannten beschlossenen Leitlinien, ist es der zuständigen Dezernentin Reker in den letzten Jahren nicht gelungen, ein vernünftiges Gesamtkonzept zur Unterbringung von Flüchtlingen vorzulegen und das obwohl seit langem klar ist, dass viele Menschen hier Zuflucht suchen und weiter suchen werden. Das Ergebnis dieses Nichtstuns erleben wir jetzt und es äußert sich vor allem in der schwierigen Unterbringung der Flüchtlinge. Das ändert natürlich nichts an der aktuellen schwierigen Situation, muss aber bei deren Bewertung mit betrachtet werden. Klar ist, ich bin gegen eine Unterbringung in Turnhallen – aus verschiedenen Gründen. Zum einen wird man einer menschenwürdigen Unterbringung mit ausreichend Privatsphäre nicht gerecht. Zum anderen schadet es den Schulkindern, die in der Zeit keinen adäquaten Sportunterricht haben und vor allem den Vereinen mit ihren vielen tausend Mitgliedern. Und damit schadet es auch der großartigen Willkommenskultur in Köln. Andere Städte wie zum Beispiel München machen ja vor, dass es auch anders geht. Ich bin dafür, dass der Dringlichkeitsantrag des Rates vom 10. September, der die Prüfung von Gebäuden in Leicht- bzw. Holzbauweise zum Inhalt hat, nun endlich angegangen wird. Des Weiteren müssen wir bei den leerstehenden Gewerbeimmobilen prüfen, ob der Stadt hier Platz zur Verfügung gestellt werden kann. Und auch eine Beschlagnahmung und Enteignung von Gewerbeimmobilien -wie es jetzt in Hamburg passiert – darf nicht kategorisch ausgeschlossen werden, nur weil die Rechtslage „schwierig“ ist. Wir haben jetzt die Aufgabe alle Mittel zu prüfen und müssen dabei ggf. ungewöhnliche Wege gehen, denn wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation. Das will ich als Oberbürgermeister angehen und vor allem umsetzen.

2 • Unterstützen Sie die Forderung, zusätzliches Personal für Rechtsberatung (u.a. beim Flüchtlingsrat) in Notunterkünften bereitzustellen?

Da wir sowieso ein Platzproblem haben, ist die gesonderte Unterbringung natürlich noch schwieriger, muss aber für bestimmte Gruppen ermöglicht werden. Es wäre gut, wenn wir hier auch in privaten Haushalten Raum finden können. Ich bin mir sicher, dass es Angebote geben würde. Es ist außerdem wichtig Kooperationen mit unterschiedlichen Interessengemeinschaften der verschiedenen Gruppen zu bilden. Aber auch das gehört gebündelt und in ein Gesamtkonzept eingebunden, damit Angebote erfragt und Lösungen gefunden werden können. Es muss klar sein, dass eine verantwortliche Stelle gibt, die sich kümmert, damit Angebote nicht verpuffen.

3 • Wie gedenken Sie den Ausbau der Verwaltung bei allen Ämtern die mit Flüchtlingen zu tun haben voranzutreiben (Ausländeramt, Sozialamt, Wohnungsamt Auszugsmanagement und Interkulturellem Dienst).

Rechtsberatung ist für die Geflüchteten von großer Bedeutung. In Köln gibt es dazu viele Angebote, die aber besser zusammengeführt werden müssen. So kann ich mir beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Refugee Law Clinic Cologne, einer studentischen Rechtsberatung für Flüchtlinge vorstellen.

4 • Wollen Sie einen Flüchtlingsbeauftragen (ähnlich wie in Düsseldorf) als zentrale Anlaufstelle für die Kölner Willkommens-Initiativen schaffen?

Meiner Meinung geht es nicht um einen Ausbau der Angebote, sondern um eine bessere Verzahnung und Zusammenarbeit der Ämter und Dienststellen. Dazu bedarf es aber einen, der das in die Hand nimmt und sich darum kümmert. Als Oberbürgermeister will ich dieses Thema zur Chefsache machen. Aber, es gilt auch zu beachten: es ist mehr als ärgerlich, dass die Kompetenzen die die Leiterin der Task Force, Frau Reker, seit zwei Jahren hat, nicht genutzt wurden, um in dieser Sache etwas zu bewegen. Der derzeitige OB hat Frau Reker mit allen notwendigen Kompetenzen ausgestattet. Das wir jetzt so schlecht dastehen, liegt vor allem daran, dass kein Gesamtkonzept erarbeitet wurde, wie auch die derzeitige Urlaubsvertretung, Frau Klug, kürzlich festgestellt hat.

5 • Was würden Sie tun, um das Personal zur medizinischen und psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen aufzustocken?

Auch hier gilt: Für mich ist das Thema Chefsache. Wie dann die genaue Umsetzung aussieht und ob und wenn ja neue Organisationseinheiten gegründet werden müssen, will ich im Falle meiner Wahl mit Priorität prüfen.

6 • Welche Möglichkeiten sehen Sie Kinder und Jugendliche ohne gesicherten Aufenthaltstitel bzw. von unerlaubt Eingereisten besser schulisch zu versorgen?

Natürlich bin ich dafür, dass alle Geflüchteten die beste medizinische und psychsoziale Betreuung erhalten. Aber klar ist auch: die Kommune kann nicht alles allein leisten. Wir brauchen dringend eine bessere finanzielle Ausstattung von Land und Bund, um diese Versorgung auch zu gewährleisten. Deshalb ist es so wichtig, dass der künftige Oberbürgermeister entsprechend gut vernetzt ist, um das Beste für die Stadt und die Menschen hier herauszuholen. Ich denke, hier kann ich aufgrund meiner Kontakte und der politischen Arbeit der vergangen Jahre für die Stadt viel erreichen.

7 • Welchen Einfluss wollen Sie auf die Betreiber von Unterkünften nehmen, um die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen zu verbessern?

Eines ist für mich ganz klar: alle Kinder haben das Recht auf Bildung, auch unabhängig vom Aufenthaltsstatus, der ja oft auch über Jahre ungeklärt ist. Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Aber auch hier gilt: die Schwierigkeiten liegen in der Umsetzung. Auch ohne die Flüchtlingskinder fehlen uns in naher Zukunft Schulbauten und Schulplätze genauso wie Sprachkurse, Ausbildungsplätze und Weiterbildung. Das alles kostet Geld, das die Kommune nicht alleine tragen kann. Hier müssen Land und Bund mit ran!

8 • Sehen Sie eine Möglichkeit der auch finanziellen Unterstützung für Willkommensinitiativen bspw. für Auslagen bei Begleitung, Betreuung etc.?

In den meisten Unterkünften läuft alles reibungslos und die Betreiber vor Ort wissen genau, wo die Probleme liegt, was fehlt und wie die vielen Ehrenamtlichen am besten einzusetzen sind. Ich denke es geht hier weniger um Einflussnahme als darum, dass die Stadt mit einem Ansprechpartner zur Verfügung steht, wenn es Probleme gibt.

9 • Was halten Sie von der Einrichtung einer Steuerungsgruppe (Vertreter aus den Willkommens-Initiativen), die sich einmal monatlich mit einem zentralen Ansprechpartner der Verwaltung treffen? Das sollte die Flüchtlingsbeauftrage leisten.

Ich bin eindeutig für eine finanzielle Unterstützung der Initiativen. Ob das ein Pauschalbetrag ist, der von den Helfern vor Ort selbst aufgeteilt wird oder ob rückwirkend Belege eingereicht werden, muss dann geklärt werden. Ich denke wichtig ist hier, dass es möglichst einfach und unbürokratisch vonstattengeht.

10 • Wie gedenken Sie den Ausbau der Verwaltung und eine deutlich verbesserte Koordination bei allen Ämtern, die mit Flüchtlingen zu tun haben voranzutreiben (Ausländeramt, Sozialamt, Wohnungsamt Auszugsmanagement und Interkulturellem Dienst)?

Von einer Steuerungsgruppe, die sich regelmäßig mit einem Verantwortlichen der Stadt trifft, halte ich viel. Hier sollten Probleme angesprochen und Ideen ausgetauscht werden.

11 • Befürworten Sie die Einrichtung eines Beschwerdemanagements für Geflüchtete? (Ombudsperson)

Siehe Antwort Nr. 4

12 • Befürworten Sie die Einrichtung eines Beschwerdemanagements für Geflüchtete? (Ombudsperson)

Die Errichtung eines Beschwerdemanagement bedeutet wieder mehr bürokratische Hürden und Aufwand. Wenn das Thema Flüchtlinge direkt an oberster Stelle angesiedelt ist und es Hauptverantwortliche Ansprechpartner gibt, die auch die diversen Beratungsstellen für Flüchtlinge verzahnt, ist das in meinen Augen keine prioritäre Aufgabe. Aber auch hier gilt, nichts ist in Stein gemeißelt. Wenn man andere Erfahrungen macht, muss die Verwaltung entsprechend flexibel reagieren.

13 • Der Zugang zum Internet ist für Flüchtlinge (meist per Smartphone) die einzige Verbindung mit der Heimat. Für die Teilhabe an unserer Gesellschaft ist das Web insbesondere für Fremdsprachler heutzutage unverzichtbar. Was wollen Sie unternehmen, um WLAN-Zugänge nicht nur in Verkaufszonen sondern auch in Flüchtlingsunterkünften bereitzustellen? Keine Frage, die Flüchtlingsunterkünfte müssen mit WLAN ausgestattet werden. Ich bin sicher, dass dies z.B. mit einer Zusammenarbeit mit Netcologne gelingt.

14 • Sportvereine leisten schon Vorbildliches in der Flüchtlingsarbeit, der DOSB verfügt über KnowHow. Doch es fehlt Geld. Nur 400 Td Euro fließen aus Berlin. Damit werden nur wenige 60 von 90.000 Vereinen unterstützt. Was können Sie für die regionalen Sportvereine tun, die vorbildhaft eine Brücke für Flüchtlinge in die Gesellschaft bieten können?

Die Sportvereine müssen nicht nur finanziell besser ausgestattet werden, es geht auch darum die Vereine nicht immer wieder zu demotivieren, indem man ihnen die Sporthallen wegnimmt, da diese mit Flüchtlingen belegt werden. Neben den öffentlichen Geldern aus Land und Bund bin ich der Meinung, dass die vielen Unternehmen hier in Köln bei der Bewältigung der Aufgaben mit herangezogen werden müssen und das sicherlich auch gerne tun. Mein Ziel als Oberbürgermeister ist es, dieses Engagement zu fördern. Die Unterstützung der Sportvereine auch finanziell eignet sich dafür perfekt.

15 • Mobilität in der Zeit der Integration ist eine faire Chance für Flüchtlinge. Welche Formen der subventionierten Nutzung des regionalen Verkehrsnetzes könnten Sie sich vorstellen? Reduzierte Karten, begrenzte Freifahrscheine…?

Ja, Mobilität ist wichtig. Aber wir müssen hier aufpassen, die verschiedenen Gruppen in unserer Stadt nicht in Konkurrenz zueinander zu stellen. Und wir müssen auch die Ausgaben im Blick haben und eine Prioritätenliste erstellen. Natürlich bin ich dafür, dass Mobilität nicht am Geldbeutel scheitern darf. Mein Ziel als Oberbürgermeister ist die Köln-Mobil-Card, d.h. ein Ticket für Bus, Bahn, Fahrrad, Fahrrad und Car-Sharing, dass sich alle leisten können.

16 • Frage an die Stadtplanung der Stadt Köln: wie gelingt ein Ausgleich von Interessen der Wohnraumbedürftigen und der Wohnungsnot der neuen Flüchtlinge? Anders gefragt, was wollen Sie tun angesichts der zusätzlichen Folgekosten für Kita-, Schul-, Wohnraum- und Stadtteilentwicklung. Was bedeutet das für den Kommunalhaushalt?

Ausgewiesene Wohnbauflächen müssen schnell realisiert werden. Bei der Ausweisung von Neubaugebieten sollte darauf geachtet werden, dass zumindest jeweils ein dezentrales Projekt zur Flüchtlingsunterbringung Berücksichtigung findet. Das Land bitte ich zu überlegen, nicht verausgabte und von den Kommunen zurückgegebene Städtebaufördermittel zugunsten der Flüchtlingsunterbringung umzuwidmen.

Es sollte weiterhin geklärt werden, inwieweit zur schnellen Realisierung von Flüchtlingseinrichtungen vereinfachte Baugenehmigungsverfahren und -auflagen angewendet werden können. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, inwieweit Planungs-und Baubeschlüsse zusammengelegt werden können. Ein möglicher Konflikt mit Denkmalschutzbelangen sollte angesichts der gegenwärtigen Ausnahmesituation interessengerecht gelöst werden. Auch die Errichtung von Flüchtlingswohnungen in Leicht- bzw. Holzbauweise ist zu prüfen.

Ich appelliere an Wohnungsgesellschaften und Immobilienunternehmen kurzfristig Wohnraum für Flüchtlingsfamilien bereitzustellen. Die Kölner Wohnungswirtschaft, der Haus- und Grundbesitzerverein sowie die Kirchen sind aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten und Wohnungen zur Verfügung zu stellen, die durch das städtische Auszugsmanagement an Flüchtlingsfamilien vermittelt werden können. Auch der LVR als überregionaler Immobilienträger kann sich an den Prüfungen nach leerstehenden, nutzbaren Wohnflächen beteiligen. Von den kommunalen Unternehmen erwarte ich, dass sie ebenfalls Verantwortung übernehmen. Es müssen weitere Partner und verantwortungsvolle Akteure für diese Mammutaufgabe gewonnen werden.

17 • Einen WBS können nur Flüchtlinge mit Aufenthaltserlaubnis von mind. 1 Jahr oder einer Prognose der Ausländerbehörde über einen Aufenthalt von mind. 1 Jahr beantragen. Sehen Sie eine Möglichkeit den Kreis der Berechtigten zu erweitern?

Selbst wenn der Kreis der Berechtigten erweitert wird, brauchen wir ja erst einmal die entsprechenden Wohnangebote. Die Berechtigung allein bringt mich ja leider noch nicht in die Wohnung, die ich brauche und bezahlen kann. Deswegen ist der Wohnungsbau bei mir auch Chefsache. Als Oberbürgermeister will ich 6000 neue Wohnungen jedes Jahr bauen, auch und vor allem geförderte. Nur dann kann gewährleistet werden, dass man sich auch da eine Wohnung leisten kann, wo man wohnen möchte und nicht da, wo man es bezahlen kann. Und dann bringt mir auch der WBS etwas.

18 • Können Sie sich vorstellen für Flüchtlinge eine vorausschauende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten? Zum Beispiel mit einer kostenlosen Gesundheitskarte begrenzt für ein Jahr? Oder der Einrichtung von Gesundheitszentren oder Ärzten, die kostenlos behandeln?

Die Landesregierung hat erst kürzlich die Gesundheitskarte für Flüchtlinge eingeführt. Ein richtiger und wichtiger Schritt für eine gute medizinische Versorgung.

Abschließend möchte ich noch hinzufügen, dass uns allen natürlich bewusst ist, dass wir immer mehr Flüchtlinge zu erwarten haben, solange sich in den Krisenregionen dieser Welt für die Menschen nichts ändern wird. Deshalb muss es oberstes Gebot unserer Bundesregierung sein, auch in den betroffenen Ländern aktiv zu werden. Hilfen und Investitionen müssen ausgebaut werden, um den Menschen dort eine Perspektive zu geben und dafür zu sorgen, dass sich die oft lebensbedrohliche Flucht erübrigt. Ich weiß, dass das Zeit braucht und bis dahin halte ich es mit den Worten von Joachim Gauck: Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind begrenzt.

Und als letztes: die überwältigende Hilfswelle der Kölnerinnen und Kölner ist grandios und verdient allerhöchsten Respekt, den ich auch Ihnen aussprechen möchte. Und auch die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Hilfsorganisationen leisten derzeit Unglaubliches. Ich hoffe sehr, dass wir diese gute Stimmung und Hilfsbereitschaft aufrechterhalten können. Als Oberbürgermeister diese Stadt würde dies zu meinen wichtigsten Anliegen gehören.

Jochen Ott