Vom Willkommen zur Teilhabe – Erklärung des Kölner Runden Tisches für Integration

Heute fand im Domforum eine Presseveranstaltung statt, in der die beiden Sprecher des Runden Tisches, Wolfgang Uellenberg – van Dawen und Gregor Stiels,  eine Erklärung  zum Thema

Herausforderungen und Prioritäten der Integration von Geflüchteten in Köln

vorgestellt haben, die im Wortlaut hier nachzulesen ist:

 

Der Kölner Runde Tisch für Integration hat sich bei seinem Plenum am 17. April 2018 ausführlich mit den aktuellen Herausforderungen und Perspektiven der Integration Geflüchteter in Köln befasst.

Die Zahl der von der Stadt Köln zu betreuenden Geflüchteten ist in diesem Jahr auf rund 10 000 gesunken. Die Stadt verfügt über etwa 11 000 Unterbringungsplätze meist in Gemeinschaftsunterkünften und Hotels. Bis Ende 2017 hat das BamF 4581 Anträge von Asylbewerbern entschieden. 2537 Menschen wurden als Geflüchtete anerkannt. 2044 wurde diese Anerkennung verweigert. Die Zahl der registrierten Geduldeten betrug 5.800 (19. Flüchtlingsbericht an den Sozialausschuss des Rates)

Der Kölner Runde Tisch für Integration stellt fest: Die meisten Geflüchteten leben immer länger in unserer Stadt und werden auch für die nächsten Jahre hier sein, denn in ihrer Heimat herrschen Terror, Krieg und Bürgerkrieg. Dort werden Menschen aus politischen, religiösen Gründen, auf Grund ihrer sexuellen Orientierung oder als soziale und ethnische Gruppe verfolgt.

Viele Menschen haben die Geflüchteten in Köln willkommen geheißen, große Anstrengungen wurden und werden von der Politik und Verwaltung, von vielen Verbänden und Institutionen, von haupt- und ehrenamtlich Tätigen unternommen, damit Geflüchtete hier ankommen konnten. Jetzt aber ist es an der Zeit, Geflüchteten die gleiche Teilhabe an menschenwürdigen Lebensbedingungen und guter Arbeit und Ausbildung zu ermöglichen, wie allen Einwohnerinnen der Stadt Geflüchtete müssen aus dem Status der zu Betreuenden herauskommen und in die Lage versetzt werden, hier ein eigenständiges und selbstverantwortetes Leben zu führen.

Eine eigene Wohnung ist der beste Weg zum Ankommen in der Stadt.

Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und Hotels ist für die Stadt immer noch die kostenintensivste und für das Miteinander in den Stadtteilen manchmal auch ungünstigste Form der Unterbringung.

Weit über 1000 Wohnungen wurden zwar von privaten Vermietern und den Genossenschaften zur Verfügung gestellt. Die Stadt hat die Stellen für das Auszugsmanagement verlängert. Dennoch wird es immer schwieriger, Geflüchtete in eigene Wohnungen zu vermitteln. Die Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum verschärft sich, nicht zuletzt, weil in den vergangenen Jahren nicht mehr Wohnungen gebaut wurden, sondern die Zahl der fertiggestellten Wohnungen auf einen historischen Tiefstand gesunken ist. Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus muss daher dringend verstärkt werden und der Anteil von Sozialwohnungen bei jedem neuen Bauvorhaben statt der projektierten 30% mindestens 50% betragen. Private Bauherren, Investoren, Genossenschaften, städtische Unternehmen und die Kirchen als Grundbesitzer stehen in der Verpflichtung bezahlbare Wohnungen zu errichten. Die Forderungen an die Stadt preislich günstige Grundstücke zur Verfügung zu stellen, wird jedoch zur Farce, wenn private Investoren ihre Grundstücke nicht bebauen, um einen noch höheren Profit zu erzielen. Profitgier und Verantwortungslosigkeit sorgen für sozialen Sprengstoff. Wir brauchen in Köln mehr bezahlbare Wohnungen nicht weil, sondern auch weil Geflüchtete gekommen sind.

Umfassende Bildung führt zu einer schnellen Integration.

Über 75 Prozent der mit Eltern oder allein nach Köln zugezogenen Kinder und Jugendlichen sind geflüchtet. Alle Kinder konnten in Kitas untergebracht werden. Aber die Konkurrenz um Plätze für die frühkindliche Förderung in vielen Stadtteilen nimmt zu. Auch die Kapazitäten für die schulische Bildung sind ausgeschöpft. Mehr als 195 Seiteneinsteigerklassen wurden in allen Schulformen, leider nicht an allen dafür geeigneten Schulengeschaffen.

Jedoch haben nur die Kinder und Jugendlichen einen sicheren Platz, die der Stadt zugewiesen sind, da sie der Schulpflicht unterliegen, der die Stadt nachkommen muss . Kinder und Jugendliche, die der Stadt nicht vom Land NRW zugewiesen sind, haben nur ein Recht auf Schule, wobei die Aufnahme im Ermessen der Schulträger liegt. Der Kölner Runde Tisch für Integration fordert von allen Schulträgern und Schulen die Zusage, diese Kinder aufzunehmen. Kein Kind einer geflüchteten Familie darf ohne Schulplatz bleiben.

Eine aktuelle Herausforderung stellt das Auslaufen der Frist von zwei Jahren für den Seiteneinstieg dar. Geflüchtete, die noch nicht die notwendigen Voraussetzungen etwa in der Schrift und der Sprache erworben haben, fallen in den Leistungsbeurteilungen deutlich ab. Stadt und vor allem das Land, sind gefordert, zusätzliche Unterstützung anzubieten. Die Landesregierung steht in der Verantwortung struktureller Benachteiligung entgegenzuwirken und den Schülerinnen und Schülern aus Seiteneinsteigerklassen über einen längeren Zeitraum bei Leistungsermittlungen einen Nachteilsausgleich zu gewähren. Sollten weniger Seiteneinsteigerklassen gebraucht werden, müssen die zusätzlich für diese Klassen eingestellten Lehrkräfte weiterhin an ihren Schulen bleiben, um eine intensivere Förderung von neu angekommenen Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen.

Die neue Landesregierung hat sich verpflichtet, für alle Geflüchtete bis zum 25. Lebensjahr eine Schulpflicht einzuführen. Der Runde Tisch fordert zu der bis 2015/2016 geltenden Regelung zurückzukehren, die eine Beschulung von Geflüchteten, neu Eingewanderten und jungen Menschen mit Behinderung bis zum 27. Lebensjahr gewährleistete. Geflüchtete und ebenso Migrantinnen und Migranten brauchen die Möglichkeit eines vollwertigen Schulabschlusses. Der Kölner Runde Tisch schlägt vor, dass sich das Schulministerium mit Sachverständigen aus der Praxis und den Schulen selbst in Verbindung setzt und möglichst schnell ein praxisnahes Gesetz auf den Weg zu bringen. Um bis dahin so vielen jungen Menschen wie möglich einen vollwertigen Schulabschluss zu ermöglichen, fordert der Kölner Runde Tisch für Integration von der Stadt eine Offensive für den Sekundarabschluss 1, die alle Möglichkeiten der Arbeitsförderung, der freiwilligen Förderung und der Weiterbildung ausschöpft.

Gute Ausbildung und Arbeit bleiben die wesentlichen Grundlagen für ein selbstverantwortetes Leben.

Wesentliche Voraussetzung für eine gute Arbeit und Ausbildung ist das Erlernen der deutschen Sprache und die Aneignung noch fehlender Fertigkeiten und Kenntnisse auch durch Praktika und andere Fördermaßnahmen. Notwendig bleibt daher der Ausbau von Sprach- und Integrationskursen. In der Heimat erworbene Schulabschlüsse und Qualifikationen müssen wesentlicher schneller und unbürokratischer anerkannt werden. Ausgebaut werden müssen Angebote der außer- und überbetrieblichen Ausbildung sowie die Beratung und Unterstützung von ausbildenden privaten und öffentlichen Unternehmen.

Mit der Vermittlung von 2000 von 11 000 vermittlungsfähigen Geflüchteten in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zeitigt die Tätigkeit des Jobcenters erste Erfolge. Dies reicht aber bei weitem nicht aus, denn der der bestehende Fachkräftemangel kann zu schnelleren Vermittlung und besseren Ergebnissen führen. Besonders in Mangelberufen des Handwerks und der Industrie müssen wieder die bewährten Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik wie die Umschulungen in anerkannte und nachgefragte Berufe in Verbindung mit berufsbezogenen Sprachkursen auch arbeitsbegleitend zum Einsatz kommen. Es reicht nicht aus, darauf zu setzen, dass im Jahre 2020 etwas mehr als die Hälfte der Geflüchteten vermittelbar sein wird. Das wird den Geflüchteten nicht gerecht und fördert höchstens unterwertige, schlecht bezahlte halb- oder illegale Beschäftigung meist ohne jeden sozialen Schutz.

Umgehend aufgehoben werden muss das Ausbildungs- und Arbeitsverbot für Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsländern und damit der Ausschluss von jeglicher Teilhabe. Die Restriktionen des Aufenthaltsrechtes für Asylbewerber, deren Anträge noch nicht entschieden sind, müssen aufgehoben werden. Denn selbst eine nur vorübergehende Arbeit fördert die gesellschaftliche Teilhabe und ist damit wesentlich besser als die Verurteilung zum Nichtstun. . Auch Geduldete müssen gute Arbeit haben, selbst wenn ihre Bleibeperspektive unsicher ist. Die in Köln gehandhabte Regelung der Meldung geduldeter in einem Zeitraum von 3 Monaten gibt dazu etwas bessere Möglichkeiten. Ebenso wichtig ist es, mehr Geduldeten eine Ausbildungsduldung nach der 3+2 Regelung anzubieten. (Drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Weiterbeschäftigung ohne Abschiebeandrohung) Der vom Kölner Runden Tisch für Flüchtlingsfragen beschlossene Arbeitskreis „Arbeit und Ausbildung für Geduldete in Köln“ muss dazu schnell Vorschläge erarbeiten.

Vom Willkommen zur Teilhabe, von der Betreuung zum selbstverantworteten Leben, diesen Weg wollen und müssen Geflüchtete in Köln gehen – dafür muss die Stadtgesellschaft die Weichen stellen.